zum Hauptinhalt
291709_0_700b64ac.jpg

© dpa

TV-Wahlkampf: Steinmeier privat

Erst der Kandidat, dann die Kanzlerin: Das ZDF zeigt an diesem und dem nächsten Dienstag die Porträts der Kontrahenten. Frank-Walter Steinmeier öffnet sich dem Publikum erstaunlich weit, Angela Merkel hat das offenbar nicht mehr nötig.

Von Brakelsiek gibt es laut Wikipedia genau eine wissenswerte Begebenheit: Im vergangenen Jahr wurde eine neun Meter hohe Blaufichte nach Berlin geschafft, die als Weihnachtsbaum ausstaffiert das Ministerium von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier schmückte, dem Kanzlerkandidaten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Brakelsieks einziger prominenter Persönlichkeit. Mit Bildern der hügeligen Landschaft des Lipper Berglandes im Osten von Nordrhein-Westfalen beginnt das Porträt „Kandidat Steinmeier“ über den SPD-Politiker, das vom ZDF am Dienstag zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. An gleicher Stelle wird eine Woche später „Kanzlerin Merkel“ zu sehen sein.

Hühner, Schweine, Partykeller – ein Kleinbürger-Idyll: „Es ist echte deutsche Provinz. Ich bereue nicht fortgegangen zu sein, komme aber immer wieder gerne zurück. Wenn mich die Leute dort auf der Straße treffen, bin ich ganz selbstverständlich der Frank“, verrät Steinmeier. Es sind ungeschminkte Wahrheiten, mit denen Steinmeiers Verwandte, Freunde, Weggefährten den SPD-Politiker im Film von Frontal-21-Chef Claus Richter und Ulf Jensen Röller beschreiben. Der Bruder, der immer wusste, das Frank-Walter Steinmeier aus Brakelsiek herauswollte, „nicht um im Rampenlicht zu stehen, sondern um Dinge zu verändern“. Die Cousine, die „früher gesagt hätte, er will das gar nicht so, dass er im Mittelpunkt steht, aber das muss er ja nun wohl“. Oder seine ehemaligen Schulkameraden, die ihn als zurückhaltenden Schüler beschreiben, der nie aus der Haut fuhr, aber dennoch einen unbedingten Siegeswillen hatte. Und dann ist dort noch der Trainer des Ex-Mittelfeldspielers, Spitzname Prickel: „Der Frank war ein Abräumer, kein Spielmacher.“ Nicht weit davon entfernt kickte ein anderer Sozialdemokrat in seiner Jugend als Mittelstürmer. Sportlich begegnet sei man sich nicht, erinnert sich Gerhard „Acker“ Schröder, „weil sein Club zwei Klassen unter meinem spielte“, und ergänzt: „Was nicht ihn kennzeichnet, sondern Brakelsiek.“

SPD-Parteichef Franz Müntefering weiß: „Andere sind lauter.“ Richtig laut wird Steinmeier im ZDF-Porträt nur einmal, bei seiner Alles-oder-nichts-Rede auf dem Wahlparteitag Anfang Juni im Berliner Estrel. Zu sehen ist ein Schweiß gebadeter Steinmeier, mit einer Stimme wie nach drei Monaten Straßenwahlkampf, ganz nach dem Geschmack von Gerhard Schröder, der Steinmeiers Verteidung der Agenda 2010 gerührt verfolgt.

Wohl fühlt sich Steinmeier woanders, zusammen mit Ehefrau Elke Büdenbender in Südtirol, wo er „von oben neuen Überblick sucht“. In Südtirol sind einige Hüttenwirte längst alte Bekannte, von seiner Parteibasis im Brandenburgischen kann man das nicht sagen. Beim Besuch vor Ort scheut er das Bad in der Menge. Selbst die Bratwurst isst er in der Panzer-Limousine.

Als Frank-Walter Steinmeier Außenminister wurde, fragten sich viele: Kann der das? Inzwischen werde diese Frage nicht mehr beantwortet, wissen Richter und Röller und zeigen den SPD-Spitzenmann auf seiner jüngsten Nahost-Reise. Die Friedenspolitik sei ihm eine Herzensangelegenheit. Das galt bekanntlich gleichermaßen für andere Außenminister wie Hans-Dietrich Genscher oder Joschka Fischer, beide wie er Vize-Kanzler. Sein Vorbild ist ein anderer Außenminister: Willy Brandt, der schaffte es bis ins Kanzleramt. Zuvor muss Steinmeier jedoch die größte Hürde überwinden. „Dass er Kanzler kann, ist unbestritten. Die Frage war immer, kann er Kandidat sein“, sagt Parteifreundin und Ex-Kommilitonin Brigitte Zypries.

So nah wie dem „Kandidaten Steinmeier“ kamen Peter Frey und Michaela Kolster „Kanzlerin Merkel“ für das Wahlporträt der ersten Frau und der ersten Ostdeutschen an der Spitze der Bundesrepublik nicht. Eine weitere Biografie aus der Uckermark wie vor vier Jahren sei auch nicht das Ziel gewesen, sagte Frey. Das Porträt von Angela Merkel, das am kommenden Dienstag ausgestrahlt wird, ist eine Bilanz ihrer vierjährigen Amtszeit als Bundeskanzlerin. Gespräche mit ihrem Mann oder anderen Familienmitgliedern waren nicht erwünscht. Der persönlichste Einblick, den Angela Merkel gewährt, ist der Blick in ihr Büro im Kanzleramt. Der von Helmut Kohl ausgesuchte Schreibtisch ist ihr zu klobig, schafft zu viel Distanz. Die mächtigste Frau Deutschlands arbeitet lieber bei offener Tür am Konferenztisch.

„Kandidat Steinmeier“, Dienstag, „Kanzlerin Merkel“, 11. August, beide ZDF, 20 Uhr 15

Zur Startseite