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TV-Wiederholungen: Wiedersehen macht Freude

Sommerloch, Sommerärger? Weshalb nicht nur die besten „Tatort“-Folgen wiederholt werden.

Der Mann ist ein bisschen wie Berlin. Nicht perfekt, dafür ein echter Kerl mit Kanten, aber auch einem großen Herz: Till Ritter, der „Tatort“-Kommissar der Hauptstadt. Gespielt von Dominic Raacke ist er weit über die Grenzen Berlins hinaus beliebt wie kaum einer seiner Vorgänger. Am vorvergangenen Sonntag konnte der RBB-„Tatort“ „Todesbrücke“ in der ARD Marktanteile von 20 Prozent erreichen. Und das, obwohl diese Folge eine Wiederholung war – wie so viele in diesen Sommerwochen. Da erleben „Tatort“-Fans am Sonntagabend im Ersten um Viertel nach acht zurzeit ein Déjà vu nach dem anderen. Sommerzeit, Zeit der Konserven, auch der gute alte Sonntagskrimi bleibt davon nicht verschont, ob „Tatort“, „Polizeiruf 110“ oder „K3“.

So zeigt die ARD heute Abend statt frischer Ware den einzigen „Tatort“, der jemals an einem Weihnachtstag gelaufen ist: „Das Lächeln der Madonna“ mit Eva Matthes aus dem Jahre 2005. Und für „Tatort“-Fans, die dieses Jahr nicht in den großen Urlaub gefahren sind, laufen seit gefühlten zwei Monaten Wiederholungen. Dabei greift das Erste in seiner Primetime gar nicht so häufig auf Konserven zurück. Von 52 Sonntagabendkrimis im Jahr sind nur sechs Wiederholungen, der Rest Erstausstrahlungen, versichert Silvia Maric, Sprecherin der ARD-Programmplanung. Davon zwei vom RBB mit dem Ermittlerteam Dominic Raacke und Boris Aljinovic.

Während der Sonntagabend also vor allem die neuen „Tatort“-Produktionen zeigt, ist der Freitagabend ein fester Platz für Wiederholungen. Eine Frage, die sich viele Zuschauer immer wieder stellen: Wer entscheidet eigentlich, welche „Tatort“-Folgen wiederholt werden? In den allermeisten Beliebtheits-Rankings tauchen die Kölner Kommissare Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt sowie die Ludwigshafener Ermittlerin Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal weit vorne auf – Zuschauergunst spielt aber nur eine untergeordnete Rolle bei der Frage, ob nun ein WDR, SWR- oder RBB-„Tatort“ wiederholt wird. Ein Kriterium für die Auswahl ist das Erscheinungsjahr. Die am Freitag um 21 Uhr 45 ausgestrahlten Sendungen sollten „nicht älter als vier Jahre sein, aber auch nicht die aktuellsten“, so Maric. Außerdem muss eine Abwechslung zum darauffolgenden Sonntag gewährleistet sein. „Wir achten schon drauf, dass wir am Freitag keinen Krimi mit dem Team wiederholen, das dann auch am Sonntag ermittelt“, sagt Silvia Maric. Das Auswahlverfahren dafür, wann welcher Tatort wiederholt wird, ist äußerst kompliziert. Zwar ist grundsätzlich die Programmdirektion in München für das Programm des „Ersten“ verantwortlich. Die Entscheidung für die Sonntagabendkrimis fallen aber in Köln, bei der „Koordination Fernsehen“, deren Chefin die Fernsehprogrammdirektorin des WDR, Verena Kulenkampff, ist. Neben Kulenkampff sind in dem Gremium alle ARD-Anstalten vertreten.

Die „Koordination Fernsehfilm“ ist auch für den Fernsehfilm am Mittwochabend verantwortlich. Dort werden über das Jahr verteilt 41 neue Filme gezeigt. Auch dieser Sendeplatz bleibt von Wiederholungen nicht verschont, nicht nur im Sommer. Drei Mal muss sich der Zuschauer am Mittwoch mit Konserven zufriedengeben, allerdings nur dann, „wenn parallel dazu im ZDF ein Fußballspiel live übertragen wird“, so ARD-Sprecherin Maric. Am nächsten Mittwoch läuft kein Fußball, deswegen wird als TV-Premiere der Fernsehfilm „Zu schön für mich“ mit Katharina Böhm gezeigt.

Auch am Donnerstagabend werden in der ARD gelegentlich Serien wiederholt. Silvia Maric betont jedoch, dass es „das vielzitierte Sommerloch im Ersten nicht gibt“. Lediglich der Dienstag sei im Sommer ein traditioneller Wiederholungssendeplatz. Die Quote der „frischen“ Produktionen liege im ARD-Programm über das Jahr verteilt bei „etwa 90 Prozent“. In der aktuellen Analyse der deutschen Medienwächter haben fast alle Fernsehsender den Anteil von Wiederholungen in ihren Angeboten erhöht. Der Bericht stellt für die ARD eine Wiederholungsquote von elf Prozent fest. Das ZDF liegt etwas darüber und kommt auf 13 Prozent.

Zu viel für einen gebührenfinanzierten Sender? Die Politik hatte vor ein paar Jahren die ewigen TV-Wiederholungen als Sommerlochthema entdeckt. Günter Nooke, damals noch medienpolitischer Sprecher der CDU, hatte gefordert, dass die Gebühreneinzugszentrale im Sommer wegen der vielen Wiederholungen im Öffentlich-Rechtlichen einen Nachlass gewähren solle.

Man könnte es ja auch so sehen – vielleicht besser noch ein wiederholter „Tatort“ als gar kein „Tatort“ (oder Volksmusik am Samstagabend). Die ARD führt keine offizielle „Hitliste“ der am meisten wiederholten Sonntagskrimis, sagt Sprecherin Maric. Nach ästhetischen Kriterien dürfte es dabei nicht unbedingt gehen. Im offiziellen „Tatort“-Buch, erschienen im Bertz-Verlag, gibt es eine „Top Five“-Liste, die von einer Jury von Medien- und Filmexperten zusammengestellt wurde. Danach rangiert der Tatort „Reifezeugnis“ unangefochten auf dem ersten Platz, gefolgt von „Frau Bu lacht“ und der „Toten Taube in der Beethovenstraße“. Für den legendären „Tatort – Reifezeugnis“ soll jetzt sogar eine Fortsetzung gedreht werden, wie im Original von 1977 mit Nastassja Kinski, Christian Quadflieg und Judy Winter. Die von Kinski verkörperte Sina kehrt nach dem Tod ihrer Mutter aus New York zurück in ihren Heimatort Malente, wo sie einst ihren ehemaligem Klassenlehrer (Christian Quadflieg) verführte. Das würde man auch gerne wiedersehen.

Pablo Silalahi

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