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An das Smartphone, fertig, los. Bundesumweltminister Peter Altmaier folgen auf Twitter inzwischen mehr als 15 000 Nutzer.

© dapd

Twitternde Politiker: Follow me!

Twitter ist heute für Politiker unverzichtbar. Der neue Umweltminister Peter Altmaier ist ganz vorne dabei, aber auch viele andere zwitschern, was das Zeug hält.

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Kaum ist der Minister im Amt, legt er schon los mit der Revolution. Gleich am Mittwochmorgen, nur einen Tag nach seiner offiziellen Ernennung zum Bundesumweltminister, hat Peter Altmaier als eine seiner ersten Handlungen einen Twitter-Account für seine neue Arbeitsstelle eröffnen lassen. Um kurz nach zehn Uhr war der Kanal @BMU_de online.

Was für das Bundesumweltministerium noch neu ist, gehört für Altmaier bereits seit Monaten zum Alltag. Er zählt zu den Abgeordneten des Bundestags, die besonders häufig Texte und Tweets auf Facebook und Twitter veröffentlichen. Laut einer aktuellen Studie der Public-Relations-Agentur Burson-Marsteller ist er einer der zehn einflussreichsten Twitterer zu politischen Themen. Demnach ist Altmaier der „Zwitscher-König“ der Bundesregierung.

Für die Studie hat Burson-Marsteller über einen Zeitraum von 90 Tagen untersucht, wie viele sogenannte Follower die politischen Kommunikateure haben, wie viele Beiträge sie veröffentlichen und wie häufig diese Beiträge geteilt oder kommentiert werden.

Mehr als 3300 Kurznachrichten hat Altmaier unter @peteraltmaier versendet, mehr als 15.000 Nutzer folgen ihm, seit er sich vor acht Monaten sein Konto bei dem Dienst einrichten ließ – nicht zufälligerweise genau sieben Tage nach dem Einzug der Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus. Inspiriert wurde er damals von Pirat Christopher Lauer in der Talkshow „Anne Will“. Altmaiers erster Tweet lautete: „Hi, bin drin, echt! Büschen spät (Jahre?) hab aber nicht geahnt, dass Piraten auch nur (nette?) Menschen sind.“

Für Altmaier mögen die Piraten der entscheidende Anschub gewesen sein, viele andere Politiker twittern jedoch bereits deutlich länger – und kaum weniger intensiv. In der Liste der Zwitscher-Top-Ten von Burson-Marsteller tauchen auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU), Volker Beck (Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion), Björn Böhning (SPD) und Regierungssprecher Steffen Seibert auf. Sie schätzen die Vorteile des Kurznachrichtendienstes. Denn wo sonst können mit so wenig Aufwand – maximal 140 Zeichen sind pro Nachricht erlaubt – so schnell so viele Leute erreicht werden?

„Heutzutage ist Twitter für Politiker unerlässlich“, sagt Christian Thams von Burson-Marsteller. „Anfangs war es eher etwas für Netzaktivisten, jetzt ist es im politischen Mainstream angekommen.“ Die Politiker sind schlicht darauf angewiesen, sich dorthinzubegeben, wo sich ihre potenziellen Wähler, wo sich das Volk tummelt – und das ist eben inzwischen auch bei Twitter. Mitarbeiter, die den Internetdienst übernehmen, haben die meisten Politiker nicht, sie schreiben ihre Zeilen überwiegend selbst.

Auch für Björn Böhning, Chef der Berliner Senatskanzlei, gehört die virtuelle Debatte „zum Standard“. Wer nicht über die sozialen Netzwerke kommuniziere, gelte als „unmodern und nicht mehr zeitgemäß“. Böhning selbst twittert schon seit drei Jahren durch die Welt – und Neulinge betrachtet er durchaus skeptisch: „Twittern passt einfach nicht zu jedem Politiker, manche machen daraus eine Show.“ Und wenn Böhning dann noch beobachtet, wie sich die Piraten in Ausschusssitzungen mehr über Twitter denn persönlich und direkt austauschen, dann kann er sich schon ein wenig darüber aufregen.´

Twittern im Plenarsaal?

Offizielle Twitter-Verhaltensregeln gibt es für Abgeordnete im Bundestag nicht – auch wenn deren Tweets immer wieder Ärger bereiten. Als Horst Köhler 2009 zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten gewählt wurde, zwitscherten der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber und seine CDU-Kollegin Julia Klöckner das Ergebnis aus, bevor es von Bundestagspräsident Norbert Lammert offiziell verkündet worden war. Das sei „unangemessen und unwürdig“, hieß es anschließend, über ein Twitter- gar Handyverbot bei Wahlgängen im Bundestag wurde diskutiert. Die Idee dann aber wieder verworfen.

Im Plenarsaal sind heute jedoch nur Geräte erlaubt, die keinen Lärm machen. Da sowohl Smartphones wie das iPhone als auch Tablet-PCs wie das iPad mit lautlosen Tastaturen funktionieren, dürfen die Abgeordneten solche Geräte benutzen – und geräuschlos vor sich hintwittern, so viel sie wollen. Weiterhin gilt die Regel, dass Wahlergebnisse nicht weitergegeben werden dürfen, bevor sie nicht der Bundestagspräsident ausgesprochen hat. Auch innerhalb der Fraktionen gibt es keine Regeln . „Wir verteilen keine Maulkörbe, und einen Anlass dafür hat es bisher auch nicht gegeben“, sagt Michael Schroeren, Sprecher der Grünen-Fraktion. Unter den Abgeordneten sei es selbstverständlich, dass aus internen Sitzungen heraus nicht getwittert werde. 60 Prozent der Grünen-Abgeordneten würden inzwischen Twitter nutzen, um mit ihren Wählern Kontakt zu pflegen und über ihre Arbeit zu informieren.

Einer von ihnen ist Volker Beck, in der Studie ebenfalls als „Zwitscher-König“ aufgeführt. Knapp 11 000 Tweets hat er seit 2008 gepostet, rund 3000 Nutzern folgt er, 22 000 Follower hat er selbst. An manchen Tagen schickt er bis zu 20 Tweets raus. „Über Twitter erreiche ich direkt die Menschen, die sich für meine Themen interessieren, ohne auf die Wächter der öffentlichen Kanäle angewiesen zu sein“, sagt er. Das Netzwerk sei ein schneller und unkomplizierter Weg, Informationen abzugreifen und weiter zu geben. Allerdings antworte er nicht auf alle Anfragen oder Posts, die ihn per Twitter erreichen: „Das ist einfach nicht möglich. Außerdem sind dort auch Trolle unterwegs, von denen man sich nicht provozieren lassen muss.“

Dass immer mehr Politiker immer aktiver Twitter nutzen, dürfte auch mit dem raschen Aufstieg der netzaffinen Piraten in Verbindung stehen. Es muss ja nicht gleich während einer Talkshow sein. „Natürlich hätte Twitter ohne die Piraten für die Bundestagswahl 2013 auch schon eine Rolle gespielt“, sagt Christopher Lauer von der Piratenpartei. „Aber wir waren schon ein Katalysator.“ Der mindestens bei Altmaier gewirkt hat.

Altmaier habe sein Smartphone immer und überall im Anschlag, manchmal falle es ihm schwer, während der Gespräche mit Parteikollegen nicht die Finger über die Tasten fliegen zu lassen, heißt es aus seinem Umfeld.  „Ab jetzt bin ich wieder öfter bei Twitter“, schrieb Altmaier am Dienstag, kurz nach seiner Berufung zum Bundesminister. Noch öfter? Das mögen sich da einige Kollegen und Wähler fragen. Und das als Minister, der sicher genug andere Dinge zu tun hat?

SPD-Politiker Björn Böhning beschränkt sich mittlerweile auf drei bis vier Tweets pro Tag, weil es schon Zeit koste, jede Reaktion zu beobachten, „es beeinflusst den Tagesablauf“, sagt er.

Verzichtbar aber ist Twitter offenbar nicht mehr. Nicht für Piraten, nicht für Mitglieder anderer Parteien – und wohl erst recht nicht für den neuen Umweltminister, der gar große Visionen aus seiner Twitter-Nutzung ableitet. „Irgendwann, ob heute oder in fünf Jahren, wird ein führender Politiker mit dem Internet Weltpolitik gestalten“, sagte Altmaier einmal. Offen ließ er, ob er sich selbst damit meint.

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