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Medien: Tyrannenmord

Urs Egger gelingt mit „Tod eines Keilers“ ein ungewöhnlicher Krimi

In einem Land, in dem „der Tram“ fährt und Autos „parkiert“ werden und wo über das unentschuldigte Fehlen einer medizinischen Koryphäe am Arbeitsplatz nicht gerätselt, sondern „werweißt“ wird, in diesem wunderbaren Land namens Schweiz gedeiht eine stille Poesie der Umständlichkeit, die auch auf die Kriminalpolizei abfärbt. Seit der von Friedrich Glauser erfundene Archetypus Wachtmeister Studer, eine „Brissago“-Zigarre rauchend, in aller Gelassenheit seine Runden zieht, haben selbst die einheimischen Kriminalfälle etwas Solides an sich. Studer verkörpere das „Väterliche der Fahndung“, meinte der Schriftsteller Emil Gerber. Der Zürcher Kommissar Häberli aus Felix Mettlers Kriminalroman „Der Keiler“, der in der Filmversion Horak heißt, setzt diese Tradition nun so behäbig wie fantasievoll fort; ein Polizist, der zur Zerstreuung am liebsten in die Wolken guckt.

Seitdem „Der Keiler“ aus der Feder des Veterinärs Mettler 1990 im Ammann-Verlag erschien (und jetzt wieder vorliegt), bemühte sich der Schweizer Regisseur Urs Egger – bekannt durch seine Adaption von Josef Haslingers „Opernball“ –, eine Option für die Filmrechte zu erhalten. Vor zwei Jahren war es dann endlich so weit. Mit der schweizerisch-deutschen Koproduktion „Tod eines Keilers“ ist heute ein „Fernsehfilm der Woche“ zu erleben, der jenseits der inflationären Krimi-Konfektion diesen Titel wirklich verdient, besonders durch seine Dialoge. Wie Kapitelüberschriften gliedern Panoramaansichten eines merkwürdig grauen Zürich diese Geschichte eines absurden Mordes und seiner noch absurderen Verwicklungen.

Bei aller Glaubwürdigkeit vielleicht ein wenig zu sentimental spielt Joachim Król den Pathologie-Assistenten Gottfried Binder, der im besten Schiller’schen Sinne einen Tyrannenmord begeht, um der höheren Gerechtigkeit Genüge zu tun. Binder ist ein bescheidener und friedlicher Zeitgenosse, der seit einem Jagdunfall mit einem Wildschwein hinkt und nun – als Nichtraucher – auch noch wegen Lungenkrebs operiert wurde. Als er vermeintlich gesund an seinen Arbeitsplatz im Institut zurückkehrt, erfährt er von einer befreundeten Ärztin, dass er doch nicht mehr lange zu leben hat. Die niederschmetternde Diagnose stammt ausgerechnet von seinem Vorgesetzten Dr. Horst Götze, einem zynischen, kettenrauchenden Karrieristen, der allen verhasst ist. Der bekennende Sozial-Darwinist (herrlich böse: Stefan Kurt) hält seine misanthropischen Tiraden am liebsten am Sektionstisch ab, während sein Assistent Binder die Toten bedauert: „Jeder hat seine Geschichte, seine Wünsche, Träume – damit ist dann plötzlich Schluss.“

Als Binder erfährt, dass der chronisch vergessliche Institutsleiter Professor Berneck seine exotische Waffensammlung inklusive Blasrohr und Pfeilgift nie abschließt, eröffnet sich ihm bei einem Betriebsfest auf dem Sihlmätteli die Möglichkeit zur Revanche. Mit einem kräftigen Luftstoß aus seiner kranken Lunge setzt er einen Giftpfeil in Bewegung, der Dr. Götze beim Joggen trifft. Als ein potentieller Zeuge auftaucht, verstaut der Schütze sein Opfer in den nächstbesten offenen Kofferraum – das Auto gehört dem Klinikchef. Friedrich von Thun spielt diesen Mann allzu konfus nach Professor-Capellari-Manier, und auch Hans-Michael Rehberg agiert als sein Komplize zu komödiantisch-überdreht.

Doch in dem Studer-Wiedergänger Kommissar Horak (Hanspeter Müller-Drossaart), der die Ermittlungen im Fall Götze aufnimmt, findet der stille Täter einen Seelenverwandten, und der Film entfaltet wieder seinen besonderen helvetischen Charme: „Er, der Keiler, er hatte keine Angst, er hat sich gewehrt.“

„Tod eines Keilers“: ZDF, 20 Uhr 15

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