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Medien: Überall ist nirgendwo

Verwirrendes Debüt: Al Jazeera International gestartet

Nach einer Stunde ist der westliche Zuschauer vollends verwirrt: Hungern die Menschen nunmehr in Kongo oder in Zimbabwe, verdienen sie nur einen Dollar täglich im Flüchtlingslager in Darfur oder war das in Afghanistan? Der neue englischsprachige Sender von Al Jazeera hat sein Debüt am Mittwoch den Unterdrückten dieser Erde gewidmet. Mit den Reportagen über den täglichen Überlebenskampf der kleinen Leute macht der Ableger des panarabischen Senders aus Qatar seine Ankündigung wahr, den Informationsfluss von Süd nach Nord zu verstärken.

Bereits im Trailer stellte sich Al Jazeera International als „Katastrophensender“ vor. Es begann mit der Einblendung von Jahreszahlen seit der Gründung des arabischsprachigen Senders 1996, gefolgt von Bildern von Krieg, Mord und Anschlägen aus jedem Jahr.

Doch dann verkündet der Moderator in dem runden und in Orange gehaltenen Studio in Doha, dass dies der „Tag eins in der neuen Ära des Fernsehens“ sei. Eine „globale Perspektive und eine Brücke zwischen den Kulturen“ wolle der neue Sender sein. Dazu sind etwa zehn Korrespondenten live eingeblendet aus allen Ecken der Welt, darunter überraschend viele bekannte Gesichter für regelmäßige Zuschauer von BBC World.

Mit der Perspektive von unten scheint der neue Sender es ernst zu meinen. In dem ersten Nachrichtenblock kommen nur zwei Politiker kurz vor, aber nicht zu Wort: US-Präsident George Bush und der russische Staatschef Wladimir Putin. Auch wenn es insgesamt mehr um Afrika als um den Rest der Welt geht – der erste Filmbeitrag und die Live-Interviews sind dem Nahostkonflikt gewidmet, dem der größte Teil der Berichterstattung gilt. Wie um jeder Kritik an Einseitigkeit vorzubeugen, wird zuerst nach Jerusalem für die israelische Perspektive nach dem Tod einer Israelin durch Raketenangriffe geschaltet und dann nach Gaza.

Doch die erste Stunde dieses „neuen Fernsehzeitalters“ lässt den europäischen Zuschauer verwirrt zurück: Die krude Mischung aus Aktualität und Zeitlosigkeit, die scheinbar zufällig herausgepickten Länder. Ein inhaltlich wertloser Live-Auftritt des Korrespondenten aus Harare ist wohl ein Wink an die BBC, der Al Jazeera International Konkurrenz machen will: Der Londoner Sender war wegen kritischer Berichterstattung aus Zimbabwe verbannt worden.

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