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Medien: Überraschender Fund

In Leipzig tauchte die wohl komplette Stasiakte von Ex-ARD-Mann Hagen Boßdorf auf

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Nur wenige Tage nach dem spektakulären Wechsel des Ex-ARD-Sportkoordinators zum Rechtevermarkter Sportfive gerät Hagen Boßdorf erneut in die Schlagzeilen. In der Leipziger Außenstelle der Stasiunterlagenbehörde sei „eine nahezu komplette Akte“ von Boßdorf entdeckt worden, schreibt „Welt online“ am Freitag und spekuliert darüber, dass dem Ex-ARD-Mann nun möglicherweise eine Klage wegen falscher eidesstattlicher Aussage drohe.

Tatsächlich wurde bei der Birthler-Behörde in Leipzig eine Akte gefunden, „eine klassische IM-Akte“, wie Außenstellenleiterin Regina Schild dem Tagesspiegel sagte. Rund 170 Seiten umfasst sie. Die eigentliche Verpflichtungserklärung allerdings fehlte – das Kuvert mit der Aufschrift „Verpflichtung“ war leer. Doch im „Bericht über die durchgeführte Anwerbung“ Boßdorfs steht, der Kandidat habe die Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS unterschrieben und, so heißt es weiter, er „wählte den Decknamen ,Florian‘“. Enthalten sind auch mehrere mit Maschine geschriebene Berichte, die handschriftlich mit „Florian“ unterzeichnet sind. Von der Stasi registriert ist, dass Boßdorf den Brief einer Bekannten übergeben undFotos zugesagt habe. Auch zwei handgeschriebene Quittungen über die Entgegennahme von Geld für eine Reise von „Florian“ nach Ungarn gehören zu der Akte, die Boßdorf nach eigener Aussage selbst noch nicht kennt.

Auf die Akte sind die Behördenmitarbeiter eher überraschend gestoßen. Bisher war davon ausgegangen worden, dass sie – wie die meisten Unterlagen aus der für die Auslandsspionage zuständigen Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) – vernichtet worden war. Bisherige Dokumente über angebliche Verstrickungen Boßdorfs in Stasi-Machenschaften waren zumeist aus zerrissenen Akten zusammengesetzt worden oder als mehr oder weniger lose Seiten aufgefunden worden. Doch in einem bislang nicht erschlossenen Raum der ehemaligen Stasi-Bezirkszentrale in Leipzig stießen die Mitarbeiter in einem Durcheinander aus unterschiedlichsten Vorgängen auf die aus zwei Teilen bestehenden Unterlagen: Teil I als Personalakte, darunter Angaben zur Person Boßdorfs, zu Zielen und Einzelheiten der Anwerbung, Teil II als Berichtsakte.

Nach Ansicht Schilds ist es wenig wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen, dass weitere Unterlagen zu dem Vorgang auftauchen – bislang wurden in der Leipziger Behörde 86 Prozent der Stasi- Hinterlassenschaft aufgearbeitet.

Den Beschluss, sich von Boßdorf zu trennen und den Vertrag nicht über März 2007 hinaus zu verlängern, hatten die ARD-Intendanten erst im Oktober 2006 gefasst. Ausschlaggebend dafür waren allerdings weder die seit Jahren geäußerten Stasi-Vorwürfe noch die umstrittenen Honorare der ARD an den Ex- Telekom-Radrennfahrer Jan Ullrich. Anlass der ARD-Entscheidung war vielmehr ein Fall von Schleichwerbung in Kurzbeiträgen über eine Nordic-Walking-Veranstaltung in der ARD, die Boßdorf zu verantworten hatte.

Boßdorf hatte gegen die Intendantenentscheidung vom Oktober Klage eingereicht, zumal sein Vertrag wenige Wochen zuvor verlängert worden war. Später wurde die Klage beim Arbeitsgericht München zurückgezogen. Über finanzielle Forderungen sei mit der ARD Einvernehmen erzielt worden, hieß es danach. „Welt online“ nennt unter Verweis auf Medienberichte eine Abfindungshöhe von 500 000 Euro, für die nun die Gebührenzahler aufkommen müssten.

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