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Ein Bild aus glücklichen Tagen. Sportmoderator Gerhard Delling (l) und Experte Günter Netzer 2006 bei der WM-Präsentation

© dpa

Überraschung bei der "Sportschau": Moderator Gerhard Delling hört im Mai 2019 auf

Die ARD muss sich einen neuen "Sportschau"-Moderator suchen. Gerhard Delling hat seinen Vertrag nach mehr als 30 Jahren gekündigt, um "Neues kennenzulernen".

Als Gerhard Delling bei der „Sportschau“ anfing, hießen die besten Torschützen in der Fußball-Bundesliga Uwe Rahn, Fritz Walter, Rudi Völler und Norbert Dickel. Jürgen Klinsmann vom VfB Stuttgart hatte gerade das Tor des Monats November 1987 geschossen. Völler und Dickel haben längst andere Jobs, Gerhard Delling moderiert immer noch die „Sportschau“. Aber nicht mehr lange. Im Mai 2019 soll Schluss sein.

Der Sportmoderator wird zum Ende dieser Saison bei der ARD aufhören. „Ich will nach den vielen Jahren jetzt Neues kennenlernen, will mich ausprobieren, will noch viel lernen“, wird der 59-Jährige von der "Bild"-Zeitung zitiert. Er denke nun über die Entwicklung einer Fußball-App nach. „Und ich will noch ein Buch schreiben – vielleicht sogar einen Roman.“

Wenn man an Gerhard Dellling denkt, denkt man unwilkürlich auch an – Günter Netzer, der Moderator und der Experte, eine etwas andere Form der Sport-Präsentation im Fernsehen. Legendär ihre insgesamt zwölf Jahre dauernde Darbietung vor, während und nach Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Bei manch’ grausamen Kick blieb man dran, gespannt auf die Kommentare und Frotzeleien. Ein paar Kostproben: „Sie haben die WM doch sicher auch genossen“, sagt Delling. Netzer darauf: „Oh ja, und wenn Sie nicht dabei gewesen wären, noch viel mehr!“

Oder Netzer zu Delling: „Im Gegensatz zu ihnen bin ich ja nicht rechthaberisch und zickig.“ Und wieder Netzer: „Woran das liegt, dass er kein Tor schießt? Er trifft das Tor nicht!" Darauf Delling: „Super, und dafür haben wir Experten.“ Für diese Perfomance in einer Umgebung, die sonst von Worthülsen á la Heribert Faßbender und Klischees oder übertreibener Hysterie nur so strotzt, erhielten Delling und Netzer im Jahr 2000 den Adolf-Grimme-Preis und 2008 den Medienpreis für Sprachkultur.

Sie waren Freunde, die vergessen hatten, sich das Du anzubieten. Ein gut bezahltes TV-Ehepaar. Launig und angriffslustig, eines der bleibenden Paare nicht nur der Sport-TV- sondern der Fernsehgeschichte, populär wie Wum und Wendelin, Waldorf und Statler oder Harald Schmidt und Manuel Andrack. Der eine war ohne den anderen im Grunde kaum denkbar. Netzer hörte 2010 als TV-Experte und Delling-Widerpart auf, seitdem hatte man als Zuschauer eine Art Phantomschmerz, wenn man Delling im Fernsehen sah. Irgendwas fehlte, bei aller Begeisterung für die „Sportschau“.

Eines der Vorzeige-Gesichter der ARD

Nun endet auch das. Wobei das mit dem Phantomschmerz nur den treuen „Sportschau“-Zuschauer betrifft. Delling selber hat, wie viele seiner Kollegen (Pilawa, Kerner, Beckmann) auch schon auf andere Unterhaltungs-Pferde im Fernsehen gesetzt: 1993 ein kurzes Gastspiel als Moderator der „NDR-Talkshow“, 2002 ein Jahr lang das Medien-Magazin „Zapp“ im NDR Fernsehen, 2005 sogar ein Intermezzo im Nachrichtenbereich, als Urlaubsvertretung die „Tagesthemen“, später noch „Dellings Woche“ im WDR.

Gerhard Delling ist eines der Vorzeige-Gesichter der ARD. In erster Linie natürlich ein Gesicht für die „Sportschau“ – mit fünf, sechs Millionen Zuschauer Samstag für Samstag einem der beliebtesten und langlebigsten Formate der deutschen Fernsehgeschichte. „Für beide Seiten – für die ARD und für Gerhard Delling – waren diese vielen Jahre der Zusammenarbeit eine sehr erfolgreiche und fruchtbare Zeit, auf die wir mit Stolz und Freude zurück blicken. Für seine neuen Wege, die er zukünftig gehen möchte, wünschen wir Gerhard Delling nur das Beste, und dass er viele seiner Ideen auch in die Tat umsetzen kann", sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.

Seit 1987 moderiert der in Rendsburg geborene Delling diese Sendung, er gilt als ausgewiesener Kenner des Fußballs, gerne kokettierend mit seiner eigenen Vergangenheit als Kicker in Büdelsdorf. Seine erste Anstellung erhielt er 1984, nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre, beim Norddeutschen Rundfunk, bevor er zum Südwestfunk in Baden-Baden und dann zur „Sportschau“ wechselte .

Dabei etablierte Delling, auch ohne Netzer, in den vergangenen Jahren eine Art neue „Sportschau“-Moderatoren-Generation, ähnlich wie Reinhold Beckmann, nicht mehr ganz so in Floskeln erstarrt wie einst Faßbender oder Ernst Huberty, noch nicht ganz so salopp wie sein jetziger Kollege Matthias Opdenhövel. Wenn Delling das Studio oder das Stadion bei seiner zweiten Leidenschaft, der Leichtathletik, betritt, schwang immer auch ein bisschen mit: He, Leute, kommt runter, es ist nur Sport.

Das tat und tut dem immer verrückter werdenden Fußballzirkus gut, auch bei Europa- und Weltmeisterschaften. By the way, Dellings letzter Einsatz im Juni in Russland war wegen des Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft auch sein kürzester. Vielleicht ein Vorzeichen. Nun also noch die „Sportschau“ bis Mai, auch an diesem Samstag wieder, mit dem achten Bundesliga-Spieltag ab 18 Uhr im Ersten. Ein Klassiker mit Delling, wie seit 1987.

Man darf gespannt sein, was dem fernsehtechnisch oder schriftstellerisch folgt. Und würde sich nicht wundern, wenn Delling bei Sky, Dazn oder Amazon wieder auftaucht. Ein Wörterbuch („Deutsch-Fußball, Fußball-Deutsch“)und seine Biografie hat Delling schon geschrieben, dort vor sechs Jahren 50 Jahre Bundesliga Revue passieren lassen, „wie ich sie erlebte“. Beim Bundesligastart 1963 kickte er als vierjähriger HSV-Fan auf der Straße.

Die ARD dürfte es schwer haben, für diesen Typen einen geeigneten Nachfolger zu finden. Oder, ganz im Trend eine Nachfolgerin.

„Sportschau“, Samstag, ARD, ab 18 Uhr

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