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Medien: Und jetzt zur Attacke

Rupert Murdoch, neuer Besitzer des „Wall Street Journal“, will die „New York Times“ angreifen

Wer sich gefragt hatte, wie sehr Medienmogul Rupert Murdoch seine neueste Erwerbung am Herzen liegt, brauchte auf eine Antwort nicht lange zu warten. Der Verkauf des „Wall Street Journal“ und dessen Muttergesellschaft Dow Jones an Murdochs News Corp. für 5,6 Milliarden Dollar war noch nicht formal abgewunken, da rückte der 76-Jährige schon fünf Kisten Kopierpapier zusammen, stellte sich auf sein Podium und hielt den Angestellten im Newsroom der altehrwürdigen Zeitung eine Ansprache. Eingerahmt wurde er dabei von zwei engen Vertrauten, die künftig mit ihm den Ton angeben sollen. Robert Thomson, bislang Chefredakteur der „Times“ in London, wird neuer Herausgeber des „Wall Street Journal“, Les Hinton Geschäftführer der Dow-Jones-Gruppe. Louis Ureneck, Journalismusprofessor an der Boston University, fasste den Auftritt so zusammen: „Murdochs Entschlossenheit und die schnelle Vorgehensweise, die tief bis in die Organisation hineinreicht, sind ungewöhnlich für eine Medienübernahme. Er benimmt sich wie ein junger Mann, der einen Sportwagen gekauft hat und es nicht erwarten kann, hineinzuspringen und loszufahren.“

Wohin die Reise geht, umschrieb Murdoch seinen Angestellten zunächst nur mit vagen Sätzen. Er gestand ein, dass „Veränderungen oft schwierig seien“, und lobte gleichzeitig die „enormen Werte“, die das frisch von ihm erworbene Unternehmen habe. Dann ging er auf die Zukunftssorgen vieler der 750 Journalisten ein, die das „Wall Street Journal“ beschäftigt, indem er versicherte: „Wenn überhaupt, dann werden Sie feststellen, dass wir versuchen, die Messlatte noch höher zu legen.“ Bislang hatte sich Murdoch eher als Krawallmacher in der Zeitungsbranche einen Namen gemacht, die Boulevardzeitung „New York Post“ ist ein gutes Beispiel dafür. Nach deren Übernahme 1985 verwandelte Murdoch das liberale Blatt in eine konservative Kampfpostille. Ähnliche Beispiele lassen sich in Großbritannien und Australien finden, stets mischte Murdoch sich dabei als Verleger tief in die Angelegenheiten der Redaktion ein.

Beim „Wall Street Journal“ startete er bislang lediglich einige Versuchsballons. Wie wäre es, überlegte er laut, wenn man das „Wall Street“ aus dem Namen streiche, um den Eindruck zu vermeiden, es handle sich um eine reine Wirtschaftszeitung? Als die Idee auf wenig Gegenliebe stieß, ließ er sie sogleich wieder fallen. Hartnäckiger arbeitet er daran, den Online-Auftritt der Zeitung, für den Abonnenten im Augenblick knapp 100 Dollar im Jahr zahlen müssen, um an alle Angebote heranzukommen, wieder gänzlich kostenfrei zu machen. Sein großes Ziel aber ist es, das Blatt insgesamt zu entstauben, die Artikel sollen kürzer und politischer werden. Als schärfsten Konkurrenten im Kampf um Leser und Anzeigen versteht er nicht die „Financial Times“, sondern die „New York Times“. Um es mit ihr aufzunehmen, weitet das „Wall Street Journal“ derzeit etwa sein Washington-Büro massiv aus. Zudem versucht Murdoch mit viel Geld und guten Worten, namhafte Journalisten von der Konkurrenz abzuwerben. Auf der anderen Seite werden rund zwei Dutzend „Journal“-Redakteure gehen müssen, weil sie nicht in das neue Konzept passen oder Murdochs Team anderweitig unliebsam bekannt geworden sind.

In einem Interview mit seinem Haussender FowNews bekannte Murdoch: „Am Anfang gab es in der Redaktion eine gewisse Feindseligkeit. Aber inzwischen verstehen die meisten, dass wir die Zeitung entwickeln wollen, statt sie auseinanderzubrechen und zu verkaufen oder sie zurückzuschneiden.“ Nach allem, was man aus der Redaktion hört oder von ihr liest, ist die Stimmung gemischt. Einerseits haben viele Angst vor den Veränderungen, die womöglich ihren Job kosten. Andererseits gibt es Verständnis für die Notwendigkeit eines Kurswechsels angesichts einer sinkenden Auflage (derzeit noch 1,9 Millionen Exemplare) und rückläufiger Erträge. Ein altgedienter Reporter, der nicht namentlich genannt werden will, bezeichnet Murdochs Pläne als „ziemlich große Kulturrevolution“. Viele machten sich Gedanken darüber, wohin sie führe, „aber im Moment haben wir die Einstellung: abwarten und Tee trinken.“

So ähnlich betrachtet auch die Konkurrenz Murdochs Aktivitäten. „New York Times“-Chefredakteur Bill Keller meint: „Ich glaube nicht an Panik, und ich sehe keinen Grund dafür, in Panik zu geraten.“ Aber ein bisschen Unruhe verrät er doch, wenn er sagt: „Rupert Murdoch ist ein 76 Jahre alter Zeitungstyp mit einer Boulevard-Seele, der mehr Geld hat als Gott. Er lässt sich von keinem Unternehmensberater etwas vorschreiben und ist deshalb ziemlich unberechenbar.“ Und noch eines ist sicher: Was immer sich beim „Wall Street Journal“ tut, es wird nicht leise vonstatten gehen. Die endgültige Erlaubnis zur Übernahme der Dow-Jones-Gesellschaft und somit der Zeitung Mitte Dezember feierte Murdoch mit einer zwei Millionen Dollar teuren weltweiten Anzeigenkampagne. Darin macht er sich schon einmal vorsorglich über die Unkenrufer der Branche lustig. Sie beklagten, das „Wall Street Journal“ werde nie mehr sein, wie es einmal war. Seine Antwort: „Genau. Und das versprechen wir.“

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