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Das Team von Radio Paradiso um Geschäftsführer Matthias Gülzow (links) und Chefredakteur Thorsten Wittke im Studio am Kleinen Wannsee kann weitersenden. Wird das Urteil rechtskräftig, muss die Medienanstalt die Frequenz neu ausschreiben.

© D. Spiekermann-Klaas

Urteil: Radio Paradiso sendet weiter

Das Verwaltungsgericht Berlin hebt den Frequenzentzug des christlichen Berliner Senders wegen "rechtlich beachtlicher Fehler" auf. Für den "Wellness-Sender" ist es dennoch nur ein Etappensieg.

Das Berliner Radio Paradiso muss seinen Sendebetrieb nicht zum Monatsende einstellen. Grundlage dafür ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Freitag. Radio Paradiso hatte gegen den Frequenzentzug durch den Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) geklagt – mit Erfolg. Der Medienrat unter Leitung der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach hatte für die bislang vier vom christlichen Radio Paradiso genutzten und bis zum 30. November befristeten UKW-Frequenzen – in Berlin 98,2 MHz – den Hörfunkveranstalter Oldiestar ausgewählt und diesem im Juni 2010 eine Sendeerlaubnis erteilt. Der Streit vor dem Verwaltungsgericht ist das erste Verfahren in Berlin, in dem Richter die Vergabe von Hörfunkfrequenzen überprüfen mussten.

Nach Auffassung des Gerichts sind dem Medienrat bei der Frequenzvergabe an Oldiestar „rechtlich beachtliche Fehler“ unterlaufen. So habe das Gremium bei seiner Entscheidung fälschlich im Wesentlichen nur auf das Programm der Berliner Frequenz von Radio Paradiso abgestellt, nicht aber auf die Brandenburger Lokalfrequenzen, obwohl dies für die Beurteilung der Vielfalt eines Programms nicht unberücksichtigt bleiben dürfe. Auch sei die Begründung, dass Oldiestar bei seinen Wortbeiträgen gegenüber Radio Paradiso qualitativ vorrangig sei, nicht nachvollziehbar. Es sei nicht auszuschließen, dass der Medienrat als zentrales Entscheidungsgremium der Anstalt bei einer zutreffenden Berechnung eine andere Entscheidung getroffen hätte, sagte Richter Reinhard Neumann. Die Aufhebung der Vergabeentscheidung hat zur Folge, dass der Medienrat – sofern das Urteil rechtskräftig wird – über die Vergabe der Hörfunkfrequenzen erneut entscheiden muss.

Radio Paradiso will die Entscheidung nicht überbewerten, es handele sich zunächst um einen Etappensieg. „Ich bin froh, dass wir nun die Chance haben, den Medienrat von unserem Konzept zu überzeugen“, sagte Matthias Gülzow, Geschäftsführer von Radio Paradiso. Besonders freut ihn das Ergebnis des Gerichts, wonach der Medienrat auf die von Radio Paradiso im Vergabeverfahren angekündigten, teilweise bereits umgesetzten Neuerungen im Wortprogramm nicht eingegangen sei. „Ich hoffe, der Medienrat kann die Änderungen der letzten anderthalb Jahre nun würdigen und erkennt, dass ein solches christliches Radio in Berlin unverzichtbar ist“, sagte Gülzow dem Tagesspiegel. Zugleich kündigte er für den Fall einer neuerlichen Frequenzzuteilung an, den Personalstamm von derzeit neun Mitarbeitern „deutlich aufzustocken“. Die Gesellschafter, darunter die Evangelische Kirche und die Berliner Immanuel-Diakonie, hätten in der Vergangenheit gezeigt, dass sie zu dem Sender stehen und dies auch in Zukunft tun würden. Auch inhaltlich seien Änderungen vorgesehen, dazu gehört unter anderem eine Kooperation mit dem Kölner Domradio.

Der Medienrat will nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zunächst die schriftliche Begründung abwarten und dann über das weitere Vorgehen beraten. Auch über die Frage, ob ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt wird, soll erst dann entschieden werden. Das Urteil könnte nach Einschätzung von Hans Hege, dem Direktor der Medienanstalt, zwei Folgen haben. „Das Verwaltungsgericht scheint an die Begründung für die Ablehnung Anforderungen zu stellen, die in der Praxis dazu führen, dass der Zugang Dritter zu den knappen UKW-Frequenzen erschwert wird“, befürchtet der Jurist. „Zudem könnte der Anreiz sinken, sich an die Zusagen zu halten, die ein Veranstalter vor der Auswahlentscheidung gegeben hat“, erklärte Hege.

Die Entscheidung der Medienanstalt vom Mai, die von Radio Paradiso genutzte Frequenz nach 14 Jahren an den bislang nur in Brandenburg zu hörenden Sender Oldiestar zu übertragen, kam überraschend. Auch eine zweite Studie von 2010, die Radio Paradiso zumindest in Brandenburg einen wieder höheren Wortanteil zusprach, hatte daran nichts ändern können. In der Perspektive sah die Medienanstalt für Oldiestar die besseren Voraussetzungen, eine größere Vielfalt auf dem Berliner Radiomarkt zu erreichen.

Der Beschluss des Medienrates führte zu massivem Protest, nicht nur aus kirchlichen Kreisen. Auch Politiker wie der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder forderten den Rat dazu auf, die Entscheidung zu revidieren. Vom Lobby-Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) kam zudem die grundsätzliche Kritik, dass die befristete Zulassung zu gravierender Rechts- und Planungsunsicherheit für die privaten Unternehmen führe. Joachim Huber, Kurt Sagatz

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