zum Hauptinhalt

US-Talkradio: "Mission Chaos"

Wenn Rush Limbaugh in seiner Radioshow gegen Demokraten und Liberale vom Leder zieht, dann hören ihm 20 Millionen Amerikaner zu. Barack Obama ist Limbaughs Erzfeind: Wie der König des US-Talkradios agitiert.

Es wird viel gelacht in der Radioshow von Rush Limbaugh und überhaupt am Hofe des Königs des konservativen amerikanischen Talk-Radios. Denn der 57-Jährige ist ein Meister des Sinnverdrehens, des pointierten Mundraubs, der mokanten Einflüsterung. Bei ihm gilt alles, nur das gesprochene Wort nicht.

Drei Stunden am Tag, fünf Mal in der Woche sprüht Limbaugh zur Erbauung von 20 Millionen Hörern im ganzen Land Gift gegen liberale Verschwörer, Defätisten, Kriegsverweigerer, Hochverräter. Seine Anhängerschaft übermittelt ihm ihre Bewunderung in Anrufen, die manchmal an Kneipentratsch, manchmal an Kriegsrat erinnern.

Seine verbalen Attacken lässt Limbaugh sich seit Jahren vergolden. Jetzt, nach fast 20 Jahren „The Rush Limbaugh Show“, ist er im Olymp der bestbezahlten Radiomoderatoren angekommen. Clear Channel, der größte Radio-Konzern der USA, sicherte sich gerade die Dienste Limbaughs für weitere acht Jahre. Wie lukrativ der Vertrag ist, verriet der Meister in einem Interview mit der „New York Times“ selbst: satte 400 Millionen Dollar (rund 250 Millionen Euro). Clear Channel legt damit noch einmal kräftig nach, für die vergangenen acht Jahre hatte der Konzern 285 Millionen Dollar an Limbaugh überwiesen.

Der Deal gehört zu den teuersten der Radiogeschichte. Nur der legendäre Sex-und-Skandal-Talker Howard Stern übertraf Limbaugh, als er 2004 für 500 Millionen Dollar zum Konkurrenten Sirius Satellite Radio wechselte.

„Ich werde nicht abtreten, bevor nicht jeder Amerikaner so denkt wie ich“, posaunte Limbaugh, der einflussreichste Radiotalker der Rechten in den USA, daraufhin in seiner Show. Die Republikaner schätzen, die Demokraten fürchten den Mann aus Missouri und seine Sprachgewalt. Seine Giftpfeile feuert Limbaugh auch im laufenden Wahlkampf ab. Zuletzt verfolgte er den Schlagabtausch zwischen Hillary Clinton und Barack Obama mit großem Vergnügen. Dabei sah er Clinton, die „oberste Hexe der Linken“, von Anfang an auf dem Scheiterhaufen.

Sein Traum, dröhnte Demagoge Limbaugh via Satellit, sei, dass sich der Parteitag der Demokraten von 1968 in Chicago wiederhole. „Mit brennenden Autos, Protesten, Bränden. Das ist das Ziel.“ Vor 40 Jahren unterlag Eugene McCarthy gegen Vizepräsident Hubert Humphrey. Auf den Straßen Chicagos herrschte währenddessen Bürgerkrieg, Nationalgardisten schützten den Parteitag.

Der Schlachtplan, den der selbst ernannte Partisanengeneral seit Anfang März dieses Jahres als „Mission Chaos“ über seine Radioshow verbreitet, klingt wohl wie Musik in den Ohren seiner ultrakonservativen Hörer. Limbaugh rief sie etwa dazu auf, an den Vorwahlen teilzunehmen und für Clinton zu stimmen.

Damit sollte der kräftezehrende Zweikampf mit Obama möglichst lange angeheizt werden, um die Demokraten zu zermürben. „Hillary muss diejenige sein, die Obama ausblutet. Verstehen Sie die Strategie?“ fragte Limbaugh eine zugeschaltete Hörerin. Die antwortete begeistert: „Ja, wir halten Clinton im Rennen, damit sie sich gegenseitig die Augen auskratzen.“ Limbaughs Zerfleischungstaktik ist nicht aufgegangen, noch nicht. Bis Anfang November hat er noch Zeit, den Republikaner John McCain zum Präsidentenamt zu talken – obwohl der ihm zu moderat taktiert. Im Fall der Niederlage von McCain wird ihm der Hohn der Demokraten gewiss sein.

Häme ist der Moralist allerdings gewöhnt. So geriet er schon einmal ins öffentliche Kreuzfeuer, als enthüllt wurde, dass er von Schmerzmitteln abhängig war und die rezeptpflichtigen Medikamente auf dem Schwarzmarkt gekauft hatte. Seine Haushälterin hatte ihn verraten. Medienprofi Limbaugh gestand vor laufender Kamera – und war nach einem Monat Entziehungskur zurück, auf Krawall gebürstet wie eh und je.

Seine Hörer im Auto und im Büro lieben ihn dafür. Seine Ehefrauen nicht. 2004 hat ihn die dritte verlassen. Man sagt, der Meister des großen, spöttischen Wortes sei ohne sein Publikum nur ein Schatten seiner selbst: missmutig, einsam und freudlos.

Christine Weissenborn

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false