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User Generated Content: Platz für Millionen

Die deutsche Wikipedia widerspricht der These vom Ende des Mitmachnetzes Web 2.0.

Das US-Magazin „Newsweek“, gerade durch den Einstieg von Multimillionär Sidney Harman vor dem Ruin bewahrt, hat den Ärger vieler Internetnutzer auf sich gezogen. Es hat behauptet, die utopischen Visionen eines User Generated Contents seien falsch. Die meisten Leute wollten nicht für umsonst arbeiten, stellt das Magazins das Mitmachnetz an sich und die Zukunft von Wikipedia im Besonderen infrage. Dem Lexikon liefen die Autoren davon, heißt es im „Newsweek“-Beitrag.

Vor sechs Jahren prägte Tim O’Reilly den Begriff des Web 2.0, das in Deutschland auch Mitmachnetz genannt wird. Doch das stimme nur zum Teil, heißt es in der gerade veröffentlichten ARD/ZDF- Onlinestudie 2010. Demnach befindet sich das Mitmachnetz in einer Phase der Konsolidierung. Die Zuwachszahlen fallen geringer aus, das Nutzerpotenzial scheint weitgehend erschöpft und die Diskussionen um Datenschutz und Privatsphäre vermiesen den Spaß an der aktiven Partizipation, schreiben die Autoren.

Wobei Web 2.0 insgesamt recht gut funktioniert, wie es am Ende der Studie heißt. Immer mehr Menschen nutzen Web-2.0-Anwendungen. Drei Viertel aller Onliner besuchen Wikipedia & Co., jeder Zweite schaut Filme in den Videoportalen und die Sozialen Netzwerke werden größer und größer. „Attraktiv ist in erster Linie allerdings nicht der Mitmachgedanke des Web 2.0, sondern ein klassisches Nutzungsmotiv im Internet: das Unterhaltungs- und Informationsbedürfnis“, fanden die Verfasser der Studie heraus. Das gelte auch für Wikipedia. Einzig unter den 30- bis 39-jährigen Wikipedia-Nutzern fühle sich eine nennenswerte Zahl an Nutzern (fünf Prozent) aufgefordert und macht mit.

Die Statistiken von Wikimedia Deutschland gehen in eine andere Richtung. Die Zahl der neuen Autoren, die für die deutsche Wikipedia-Ausgabe Artikel verfassen, Fakten checken oder Internetverweise bearbeiten, ist in den letzten zwölf Monaten mit rund 1000 annähernd konstant geblieben, belegt Wikimedia-Sprecherin Catrin Schoneville anhand der Statistiken. Das gelte auch für die rund 1000 besonders aktiven Autoren, die jeden Monat 100 Artikel oder mehr editieren. Weltweit kommen auf 388 Millionen Nutzer knapp 100 000 Autoren.

Von „Newsweek“ und der Onlinestudie wird das zurückgehende Interesse an der aktiven Unterstützung von Wikipedia unter anderem darauf zurückgeführt, dass es bei 3,3 Millionen englischen und 1,1 Millionen deutschen Beiträgen nicht mehr so viele Entfaltungsmöglichkeiten gäbe. Aber auch der Streit um die Relevanz von Artikeln sowie der Unmut über gelöschte Beiträge dient als Erklärung für den Frust von Wikipedia-Autoren.

Dass die Wikimedia-Stiftung sich ständig auf die Suche nach neuen Autoren begibt, hat für Catrin Schoneville jedoch eher den Grund, dass es noch genügend Arbeit gibt. Zurzeit veranstaltet Wikimedia Deutschland zum vierten Mal den Zedler-Wettbewerb, um neue Autoren zu gewinnen. Zum ersten Mal werden dabei auch Bilder aus Natur- und Geisteswissenschaften ausgezeichnet, denn es gehe bei Wikipedia eben nicht nur um neue Lexikoneinträge, wie Schoneville betont. Ein Autor aus der Redaktion Biologie kann die Diskussion überhaupt nicht verstehen. „Allein in der Kategorie Lebewesen ist noch Platz für weitere sechs Millionen Artikel“, sagt er. Kurt Sagatz

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