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Kai D. hat als führender Neonazi für den Verfassungsschutz gearbeitet. Er habe mäßigend auf die Szene eingewirkt, sagt der Mann mit der Maske

© rbb/Thorsten Backofen

V-Land Deutschland: Spitzeln im Staatsauftrag

Die Doku „V-Mann-Land“ zeigt die Verstrickungen zwischen rechter Szene und Verfassungsschutz.

Ehemalige V-Leute, Ex-Neonazis, NPD-Funktionäre – es ist schon interessant, wie auskunftsfreudig sie auf die Fragen von Katja und Clemens Riha reagiert haben. Für die Dokumentation von NDR und RBB, die am Montag in der „Story im Ersten“ läuft, haben sie mit vielen Leuten gesprochen, die meisten von ihnen traten mit offenem Visier vor die Kamera, nur von einigen sieht man ihre Masken. Sie alle jedoch belegen die These vom „V-Mann-Land“ Bundesrepublik, in der „Spitzel im Staatsauftrag“ die rechte Szene nicht nur zum Schutz von Verfassung und seiner Bürger überwachten, sondern so manche Straftat mit Wissen und Billigung der staatlichen Stellen offenbar erst ermöglichten.

Ein großes Geheimnis ist dies spätestens seit dem NPD-Verbotsverfahren, das am massenhaften V-Mann-Einsatz gescheitert ist, zwar nicht. Doch die in der Dokumentation aufgedeckten Details müssen dennoch erschrecken.

Die Filmemacher haben unter anderem mit Wolfgang Frenz gesprochen. Der Off-Kommentar kündigt ihn als „Deutschlands ältesten V-Mann“ an. Mit seinem Bart und dem gut genährten Bauch wirkt er wie ein gutmütiger Brummbär. 1959 ist er Mitglied der Deutschen Reichspartei, dem Vorläufer der NPD. Mit Wissen der ewig klammen Parteiführung wird er V-Mann, erhält den Decknamen Stoffel, beliefert den Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen mit Interna aus der jungen NPD, deren Gründungsmitglied er ist. „Ohne die Gelder vom Verfassungsschutz hätte die Gründung der NPD zumindest in NRW gar nicht stattfinden können“, sagt er heute. 36 Jahre lang beliefert Frenz den Verfassungsschutz, kassiert damit samt Spesen 1,6 Millionen Mark, von denen er sich schicke Autos und eine Jagdhütte kauft und auf Großwildjagd geht. Sein V-Mann-Führer trifft sich mit ihm am liebsten beim Chinesen, wo der Schlapphut am liebsten über Frauen und das Angeln redet.

V-Mann wundert sich über Untätigkeit des Verfassungsschutzes bei NSU

So harmlos sollte es nicht bleiben. Für ihre sehenswerte Dokumentation haben Clemens und Katja Riha auch mit Michael von Dolsperg geredet, ein Ex-FAP- und V-Mann, der jetzt hinter der großen Brücke in Schweden lebt. Nach einer Haft wirbt ihn der Verfassungsschutz an, die NPD wundert sich, mit welchen radikalen Inhalten das von ihm gegründete Pamphlet „Sonnenbanner“ durchkommt. Er veranstaltet rechtsextreme Konzerte, kommt sogar in Kontakt zum Thüringer Heimatschutz, aus dem der NSU hervorgeht. Der Verfassungsschutz weiß davon, als er dem Trio um Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Unterschlupf geben soll. „Warum haben die da nicht zugeschlagen“, wundert er sich heute. Das Fazit des Ex-V-Mannes: Die halbe Führungsriege der Neo-Nazi-Szene besteht aus Leuten im Staatsauftrag.

Der Grünen-Politiker Hans Christian Ströbele fragt sich ohnehin: „Woher weiß man, was quasi staatlich mitorganisiert wurde und was von der NPD selbst kam?“ Der ehemalige bayerische CSU-Innenminister und spätere Ministerpräsident Günther Beckstein verteidigt hingegen das Vorgehen des Verfassungsschutzes. Mit den V-Leuten hat er wenig Mitleid. „Ein V-Mann muss wissen, dass er auf eigene Rechnung handelt. Er braucht von seinem Milieu keine Meriten erwarten, und auch der Staat wird sich nicht uneingeschränkt zu ihm bekennen.“

Die rechte Szene ficht das nicht an: „Natürlich wissen wir von den Spitzeln und deren Aktionen. Das nehmen wir dann halt mit“, sagt Thorsten Heise von der NPD Thüringen. „Wir lassen die Spitzel weitermachen, die schicken eh wieder einen Neuen“, gibt er unbekümmert vor der Kamera zu. Kurt Sagatz

„Die Story im Ersten: V-Mann-Land – Spitzel im Staatsauftrag“, ARD, Montag, 22 Uhr 45.

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