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Medien: Verbalrüpel und Lichtgestalten

verrät, was Sie nicht verpassen sollten In gewissen Kneipen am Prenzlauer Berg ist Graf Kiedorf eine Legende. Eine ostdeutsche Bohemefigur wie aus dem Bilderbuch.

verrät, was Sie nicht verpassen sollten In gewissen Kneipen am Prenzlauer Berg ist Graf Kiedorf eine Legende. Eine ostdeutsche Bohemefigur wie aus dem Bilderbuch. Ein nächtlicher Zecher mit scharfem Witz, ein Verbalrüpel und Anekdotenverteiler. Ob er wirklich Graf ist, weiß keiner so genau. Freunde sagen, der alte Kiedorf sei in letzter Zeit stiller geworden. Da ist es schön, ihn noch einmal im furiosen Monolog zu erleben. In Matthias Thalheims biografischen Feature „O ihr Nymphen, die ihr wohnet“ erzählt der Graf über seine bewegte Jugend im Weimar der fünfziger Jahre. Man hauste in Bürgervillen mit bröckelnder Stuckdecke, hatte Krach mit den Stalinisten, trotzdem hing der Künstlerhimmel voller Geigen (Kulturradio, 24. November, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

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Leser dieser Zeitung wissen, was die deutsche Unterhaltungsliteratur dem Autor Harald Martenstein verdankt. Der Aufklärer als Entertainer, dieses Rollenkunststück vollbringt Martenstein mit jedem seiner Texte. Kein Wunder, dass auch das Radio einen echten Martenstein im Programm haben möchte. „Neun Notrufe aus der Medienhölle“ heißt ein Radioessay, gelesen vom Autor selbst. Es geht um den zeitgenössischen Medienbetrieb, der wunderbar bunt ist und trotzdem viel kulturkritischen Zorn auf sich zieht. Ist es wirklich so schlimm? Oder noch viel schlimmer? Wie stets verweigert Martenstein jedes apodiktische Urteil (Kulturradio, 25. November, 22 Uhr 04).

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Einst waren Gesang und Moral auf das Innigste verknüpft. Böse Menschen, wusste der Dichter, haben keine Lieder. Heute trifft man kaum noch auf singende Wandergruppen, Parteiversammlungen gehen ohne Lied zu Ende, das Quodlibet ist aus dem Familienalltag verschwunden. Selbst zu Weihnachten wird weitestgehend auf das selbst vorgetragene Liedgut verzichtet. Sind wir moralisch verwahrlost? Autor Heinz-Peter Katlewski hat in seinem Feature „Belcanto und Schalalalala“ die aktuelle Praxis des Laiengesangs untersucht. Er findet eine Menge Residuen, in denen auch der Nichtprofi noch regelmäßig Lieder anstimmt: in Badewannen und Reisebussen, in Kirchen und Stadien, Kindergärten und Schulen (Deutschlandfunk, 26. November, 19 Uhr 15, UKW 97,7 MHz).

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Denken wir uns eine kulinarische Welt, in der nur Salz und ein paar nördliche Würzkräuter bekannt sind. Wie muss es einem Bewohner dieses lausigen Reiches ergehen, wenn er das erste Mal gemahlenen Zimt über seine Milchspeise streut? Wenn er sein Fleisch mit feurigem Curry würzt? Er hört die Engel singen, glaubt sich ins Paradies versetzt. „Mönchspfeffer, Teufelsdreck und Paradieskörner“, heißt eine Lange Nacht, die den Gewürzen gewidmet ist. Peter Kiefer und Stella Märtin beschwören noch einmal die weitgehend ungewürzte europäische Vergangenheit herauf. Morgenlandfahrer lassen sich ihre aromatischen Mitbringel mit Gold aufwiegen. Die Seewege werden entdeckt, weil Europa verrückt ist nach exotischen Gewürzen. Das Gewürz als Mythos und extraordinäre Handelsware. Eine märchenhafte Geschichte, die bis in die Gegenwart reicht (Deutschlandfunk, 27. November, ab 23 Uhr 05).

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Vor fünfzig Jahren ist Wilhelm Furtwängler gestorben. Die Lichtgestalt unter den deutschen Meisterdirigenten. Im Kulturradio furtwänglert es aus diesem Anlass auf allen Kanälen. Wir empfehlen einen großen Konzertabend mit historischen Aufnahmen. Der Maestro dirigiert und ist auch mit einer eigenen Komposition vertreten (Kulturradio, 28. November, ab 20 Uhr 04).

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