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Medien: Verhängnisvolle Margarine

Schleichwerbungsvorwürfe gegen Sportkoordinator: ARD verlängert Vertrag mit Boßdorf doch nicht

Von Barbara Nolte

Jetzt hat es ihn doch erwischt. Hagen Boßdorf muss Ende März seinen Posten als Sportkoordinator der ARD räumen. Auf einer Schaltkonferenz am gestrigen Nachmittag votierten die Intendanten der ARD-Anstalten dafür, seinen Vertrag nicht zu verlängern.

Es waren nicht seine Stasi-Kontakte, die ihn schließlich den Job kosteten. Auch nicht seine Nähe zum Radprofi Jan Ullrich, dem die ARD, wie im Spätsommer herauskam, über Jahre Geld für Exclusiv-Interviews zahlte. Nicht nur Programmchef Günter Struve wusste davon, der die heikle Verbindung öffentlich bereute, sondern auch Boßdorf. Letztlich gab eine Schleichwerbungsaffäre den Ausschlag, weswegen sich die ARD für das kommende Frühjahr einen neuen Sportkoordinator suchen muss. Genauer: Ein von einer Agentur entwickeltes Konzept über die Berichterstattung zu einer Nordic-Walking-Veranstaltung, das Boßdorf in die ARD eingebracht hatte. Es handelte sich um elf jeweils zwei Minuten lange Kurzberichte über den so genannten „Becel Deutschland Walk“. Titel-Sponsor: der Margarinehersteller Becel. Im Konzept hieß es wörtlich, dass in die Berichterstattung eine Integration von „markenrelevanten Themen im Umfeld des Produkts Becel wie Gesundheit, Ernährung, Cholesterin und Herz-Kreislauf“ vorgesehen sein sollte – ein klarer Verstoß gegen die Werberichtlinien der ARD. Doch Boßdorf hat das Konzept nicht gleich aussortiert, im Gegenteil. Die Intendanten ließen gestern erklären, dass er damit die in seiner Position notwendige journalistische Professionalität vermissen gelassen habe. Die redaktionelle Verantwortung für die Beiträge, die im September tatsächlich im Vorabendprogramm der ARD gelaufen sind, trägt Boßdorf allerdings nicht. Sie wurden vom Bayerischen Rundfunk (BR) umgesetzt – inclusive der Themenplacements. Die Programmbeobachtungsstelle in Köln, die die ARD nach der Schleichwerbungsaffäre vom vergangenen Jahr eingerichtet hat, hat sie schließlich entdeckt und an die BR-Juristen weitergeleitet. Seit ein paar Tagen sind die Juristen damit befasst. Boßdorf wurde in der Sache angehört. Vorgestern Abend wurden die Intendanten informiert, die diesmal schnell handelten. Der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber erklärte, dass „die ARD Sorge dafür tragen wird, dass der komplette Vorgang in seinen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten vollständig aufgeklärt und dokumentiert wird“. Noch ist vieles ungeklärt: zum Beispiel, ob es Fahrlässigkeit oder Hybris war, warum Boßdorf bei den deutlich formulierten Themenwünschen im Konzeptpapier nicht hellhörig wurde. Und das, obgleich er in diesem Jahr aus den Schlagzeilen nicht mehr herauszukommen schien.

Es begann im Dezember vergangenen Jahres, die Birthler-Behörde hatte neue Dokumente gefunden, die nahe legten, dass Boßdorf unter dem Decknamen IM Florian Werfer Kontakt zu Weststudentinnen gesucht habe, um sie an die DDR zu binden. Der NDR machte daraufhin einen Vertrag mit Boßdorf rückgängig; eigentlich sollte er von März diesen Jahres an Gerhard Delling als NDR-Sportchef ablösen. Seinen alten Posten als Sportkoordinator konnte er allerdings behalten: Im Februar schrieben ihm die ARD-Intendanten nur eine Abmahnung und keine Kündigung. Im September beschlossen sie, seinen Vertrag sogar bis 2012 zu verlängern – unter dem Vorbehalt, dass ein Ermittlungsverfahren der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung zum Thema Stasi eingestellt würde. Es sollte nicht das Hamburger Ermittlungsverfahren sein, das den Vertrag scheitern ließ. Doch der Fall Boßdorf ist für die ARD immer noch nicht zu Ende. Er hat ein Rückkehrrecht zum RBB, der ihn einst zur ARD entsandte. Pikantes Detail: RBB-Chefin Dagmar Reim stimmte im September gegen eine Vertragsverlängerung – als einzige der Intendanten.

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