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Sind die süß! Zu den „21 Dingen, die man in Berlin erlebt haben muss“ gehört nach Ansicht von RBB-Fernsehredakteuren unbedingt die Robbenfütterung im Zoo. Entsprechend wurde sie am Zuschauervoting vorbei nach vorne gesetzt.

© IMAGO

Vertrauen verspielt: Der Zuschauer zahlt, der Sender zockt

Warum der Ranking-Skandal mehr ist als nur Trickserei mit Zuschauer-Votings. Und wer garantiert, dass ARD und ZDF nicht auch bei Polit-Umfragen "nachrechnen"?

Fernsehmachen ist manchmal sehr einfach. Ein Format, das in einem Programm erfolgreich ist, wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von anderen Programmen übernommen, variiert und mit großem Tätärätä aufs jeweilige Publikum losgelassen. Die nichtendenwollenden Quizshows sind ein Beispiel für den Zug der TV-Lemminge, die Rankingshows ein anderes. Dieses Format erlebt aktuell seine schwerste Krise, möglicherweise seinen Untergang. ARD und ZDF haben auf Quote komm raus manipuliert. Welcher Zuschauer glaubt noch, dass bei „Deutschlands Besten“ der und die Beste präsentiert wird? Da die Trickserei stets die Zuschauervotings betroffen hat, gerät auch das Privatfernsehen in den Verdachtskreis. „Deutschland sucht den Superstar“ (RTL), jetzt „Promi Big Brother“, immer ist das Publikum zur Teilnahme aufgefordert – wird schon alles stimmen ...

Diplompsychologe Uwe Weinreich aus Berlin beschäftigt sich mit Vertrauen in Kundenbeziehungen. „Wir mögen es gern, wenn andere das teilen, was wir selbst gut finden, weil wir uns dann geborgen fühlen.“ Der Ranking-Skandal tue deshalb vielen an einer Schwachstelle weh, deren Bedeutung oft unterschätzt werde. „Das ist die sogenannte Selbstwirksamkeit. Um überzeugt zu sein, etwas zu erreichen, etwas bewirken zu können, überhaupt handlungsfähig zu sein, brauchen wir das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Das heißt, ich tue etwas und ich spüre, es kommt etwas zurück.“ Wenn dieses Gefühl „so offenkundig konterkariert“ werde wie bei den bekannt gewordenen Manipulationen, werde es untergraben, sagte Weinreich der dpa. „Das äußert sich in Resignation und Sätzen wie: „Ach, das hat doch sowieso keinen Sinn, seine Stimme da abzugeben.“ Das hören Sie auch bei Personen, die sich nicht mehr an Wahlen beteiligen.“

Aufrufe zum Online-Voting finden mäßige Resonanz

Im Zuge der internen ARD-Recherchen wurden auch Beteiligungswerte bekannt. Die Aufrufe zum Online-Voting finden demnach mäßige Resonanz. An den beiden inkriminierten Sendungen im RBB-Fernsehen – „21 Dinge, die man in Berlin erlebt haben muss“, „21 Dinge, die man in Brandenburg erlebt haben muss“ – beteiligten sich 250, respektive 350 Menschen. Die Stimmen, die so zusammenkommen, sind oft nicht zuverlässig, moniert der emeritierte Kommunikationswissenschaftler Siegfried Schmidt aus Münster: „Da gibt es Multi-Klicks und gezielte Abstimmungsgruppen. Wenn ich die Technik einsetze, dann kann ich die Technik ausspielen und ad absurdum führen.“ Eine neutrale Abstimmung halte er auf diese Weise für unmöglich, erläutert Schmidt. „Wie sollen Sie in so kurzer Zeit eine repräsentative Umfrage durchführen? Bei solchen Schnellschüssen in solchen Shows ist es mehr oder weniger dem Zufall der Entscheidung der Redakteure ausgeliefert, wie man zu den Daten kommt und wie man die Daten behandelt.“

Obwohl es doch eigentlich nur um leichte Unterhaltung geht, könnte der Skandal auch am Image der Öffentlich-Rechtlichen als Informationsquelle kratzen, sagen Experten. Nach Ansicht des Psychologen Weinreich hat es „eine grausame und vernichtende Wirkung“, wenn einmal gewonnenes Vertrauen enttäuscht werde. Für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit seien Kleinigkeiten entscheidend. „Wir sagen zum Beispiel nicht: ,Da hat mich jemand um fünf Euro betrogen, aber ich werde ihn ja weiter als Vermögensverwalter einsetzen‘, das würde keiner sagen. Die gängige Einstellung wird eher sein: „Bei diesen fünf Euro fängt es an. Dem gebe ich doch keine 100 000 Euro in die Hand.“

Der Skandal unterminieren Rankings und - Umfragen gleich mit

Kommunikationswissenschaftler Schmidt stellt die Frage nach der Relevanz. „Was habe ich davon, was angeblich die „schönsten Parks“, die „schönsten Klöster“, die „beliebtesten Schlager“ sind“, sagt Schmidt. „In dem Moment, wo den Medien die Themen ausgehen, produzieren sie Fakes. Das hört sich immer gut an: die Schönsten, die Besten.“ Er warte auf die beliebtesten Backmischungen und beliebtesten Hühnereier.

Klar ist, dass die bekannt gewordenen Skandale das Format des Rankings unterminieren und das Instrument der Umfrage gleich mit. Im Internet jedenfalls, wo Misstrauen und Verschwörung blühen, werden die Umfragen von ARD und ZDF zur Beliebtheit von Politikern und zum Wahlverhalten à la „Sonntagsfrage“ mit immer dickeren Fragezeichen versehen. Damit wäre der Kern öffentlich-rechtlicher Glaubwürdigkeit angegriffen. Und der von allen Bürgern zu leistende Rundfunkbeitrag, den bei der Einführung der heutige WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn als „Demokratieabgabe“ beschwor/bejubelte? Ist ad absurdum geführt. Die Beitragszahler werden via Rankingshow just mit dem Geld betrogen, mit dem sie ARD und ZDF bezahlen. Gründlicher kann Vertrauen nicht missbraucht werden. (mit dpa)

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