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In der Deutschen Kinemathek in Berlin können Besucher durch eine ständige Ausstellung Film flanieren. Das Video-on-Demand-Projekt Schätze des deutschen Films möchte die Kinokunst über das Internet davor bewahren, von der Bildfläche zu verschwinden. Foto: pa/dpa

© picture alliance / dpa

Video on Demand: Kino auf Abruf

Im Internet stehen immer mehr Videoplattformen zur Verfügung. Davon soll nun auch die deutsche Filmkunst profitieren.

Das Vorhaben ist gigantisch. Seit 1895 werden in Deutschland Filme gedreht und in Kinos aufgeführt. Nimmt man alle zusammen, auch die von deutschen Regisseuren im Exil während der NS-Zeit, liegt ihre Zahl deutlich über 10 000 Produktionen. Möglichst viele davon will die Gesellschaft Schätze des deutschen Films (SDDF) demnächst im Netz anbieten.

Ob Blockbuster oder Arthouse, Spielfilm oder Doku, alt oder neu – alle Formen deutscher Kinokunst sollen archiviert werden. „Wenn ein Film aus dem Kinoprogramm fällt und die Verwertungskette erst einmal durchlaufen hat, verschwindet er oft ganz von der Bildfläche. Wir wollen ihn wieder sichtbar machen“, erklärt Andreas Vogel, der die Gesellschaft zusammen mit Hans W. Geißendörfer und Joachim von Vietinghoff 2011 gegründet hat.

Das Projekt ist nur ein Beleg dafür, dass Video on Demand (VoD) in Deutschland endlich flächendeckend etabliert werden soll. Video on Demand bedeutet übersetzt Filme auf Abruf. Die Videos können entweder am Computer oder einem Mobilgerät wie einem Tablet-PC oder auf einem Smart-TV-Gerät mit Internetanschluss angeschaut werden. Sowohl die Neueinsteiger als auch ältere VoD-Anbieter wie Maxdome (ProSieben Sat 1), Lovefilm (Amazon) oder iTunes (Apple) sehen erhebliches Steigerungspotenzial im Segment der Online-Videotheken. Der Reiz daran: Der Zuschauer bestimmt selbst, wann er welche Sendung anschauen kann.

Andreas Vogel gehört zu denen, die große Hoffnung in das Webformat setzen. Er ist nicht nur am Aufbau von Schätze des deutschen Films beteiligt, sondern auch am Portal 31movies. Dahinter verbirgt sich eine „kuratierte VoD-Plattform“, sagt der Potsdamer Medienunternehmer. Anstelle eines umfassenden Archivs steht hier zu jeder Zeit ein Programm aus 31 Filmen zur Verfügung. Jeden Tag kommt ein neuer hinzu und einer fällt weg.

Noch laufen die Verhandlungen mit Filmverleihen. Eine Pilotanwendung wurde in Zusammenarbeit mit der Defa-Stiftung entwickelt, die die Produktionen des ehemaligen DDR-Filmunternehmens erhalten will. Fest steht, dass Nutzer für 31movies eine monatliche Abonnementgebühr zahlen müssen.

Leicht gestaltet sich der Aufbau neuer VoD-Portale indes nicht. Produzenten und Rechteinhaber zu überzeugen, ist kein Selbstläufer, berichtet Vogel. Dennoch ist er optimistisch, dass das Projekt Schätze des deutschen Films im Frühjahr 2013 startet. Zu Beginn sollen dann 200 bis 250 Filme bereitstehen, 300 bis 500 weitere pro Jahr folgen. Langfristig soll so ein möglichst vollständiges Bild der deutschen Kinohistorie entstehen.

Einige Filme sind aber noch nicht digitalisiert, und die Aufarbeitung ist teuer: Die Kosten für einen Film belaufen sich schnell auf 15 000 Euro und mehr. Noch kommt das Geld vollständig aus privater Hand, doch das soll sich ändern: „Es geht darum, das deutsche Filmerbe in die digitale Zukunft mitzunehmen. In vielen europäischen Ländern hat es sich der Staat längst zur Aufgabe gemacht, die Kulturgüter umfassend zugänglich zu machen. Hier haben wir in Deutschland noch Nachholbedarf. Wir gehen aber davon aus, dass Bund und Länder diese kulturpolitische Aufgabe unterstützen werden“, sagt Vogel. Als Vorbild gilt den Filmerettern die nationale Digitalisierungsstrategie der Niederlande, die seit 2007 greift.

Im Rahmen des Programms „Images for the Future“ wurde dort die VoD-Plattform ximon.nl geschaffen. Bezahlt wird pro Film – ein Modell, das Vorbild für Schätze des deutschen Films sein soll. Allerdings ergab eine Tagesspiegel-Anfrage, dass das öffentliche Interesse bei ximon.nl sehr überschaubar ist. Erst durch die Veröffentlichung von Gratis-Apps für Tablets und Smart TVs konnten die Zugriffszahlen nennenswert gesteigert werden. Die iPad-App wurde seit September rund 20 000-mal heruntergeladen, wie viele Videos auf diesem Weg gebucht wurden, wollten die Betreiber nicht preisgeben.

Eine neue Plattform aufzubauen, ist aber auch angesichts des bestehenden Wettbewerbs nicht leicht. Filmklassiker wie „Feuerzangenbowle“ oder „Angst essen Seele auf“ etwa gibt es bereits bei Lovefilm als Stream zu sehen. Auch Maxdome und Videoload (Telekom) haben ihre virtuellen Regale gut gefüllt. Trotzdem hofft man auf gegenseitige Synergieeffekte: „Neue Player treiben die Marktentwicklung von VoD voran“, sagt ein Maxdome-Sprecher.

Die neuen Projekte sehen ihre Chancen deshalb vor allem in der Nische. „Wir machen keinen zusätzlichen Gemischtwarenladen auf, sondern haben ein klar umrissenes Thema“, beschreibt Vogel die Strategie hinter Schätze des deutschen Films. Darum sei es kein Problem, wenn mancher Film schon in anderen Portalen verzeichnet ist. Wirtschaftlich stehe das VoD-Geschäft noch am Anfang, hauptsächlich gehe es den Initiatoren um die kulturpolitische Aufgabe.

„Wir stehen in Deutschland am Beginn einer Entwicklung, die mit der fortschreitenden Digitalisierung noch deutliche Zuwächse verzeichnen wird“, ist sich Christoph Schneider, Geschäftsführer von Lovefilm, sicher. Dass die Einführung von Videoplattformen nicht von heute auf morgen geht, mussten auch die Fernsehmacher schon erkennen. So gründeten 17 Partner, darunter ZDF und WDR, im April die Germany’s Gold GmbH. Ihre Plattform soll alte Fernsehprogramme digital erschließen. Doch zunächst muss das Bundeskartellamt die Freigabe erteilen, seit einem Jahr läuft die Prüfung mittlerweile. Zuvor hatte das Amt schon einem ähnlichen Vorhaben der Privatsendergruppen Pro Sieben Sat 1 und RTL einen Riegel vorgeschoben.

In der Tat nutzten in Deutschland im Jahr 2011 nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erst vier Prozent der deutschen Haushalte kostenpflichtige Abrufplattformen. Allerdings zeigt die Absatzkurve steil nach oben, obwohl die Durchschnittspreise auf 4,70 Euro pro Film gestiegen sind. Von Januar bis September 2012 ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch einmal um 53,3 Prozent auf jetzt 69 Millionen Euro in die Höhe geschnellt.

Unter der Adresse was-ist-vod.de haben der Bundesverband Audiovisuelle Medien und die Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Medien Tipps zum Thema Video on Demand zusammengestellt. Darunter befindet sich auch ein Vergleich von rund 30 legalen deutschsprachigen Angeboten.

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