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Die US-Serie "House of Cards" mit Kevin Spacey wurde exklusiv für Netflix produziert.

© picture alliance / AP Photo

Video on Demand: Wachowski-Geschwister arbeiten an Serie für Netflix

Die Video-on-Demand-Plattform Netflix produziert eigene Serien. 2013 starten die Wachowski-Geschwister mit der Science-Fiction-Serie "Sense8". Weitere Anbieter könnten bald folgen.

Wann war es, das Goldene Zeitalter des Fernsehens? In den 1950er und 60er Jahren, als Fernsehen das Radio ablöste? Oder doch von den 90ern bis heute, als amerikanische Sender wie HBO, Showtime oder AMC Serien wie „Die Sopranos“, „The Wire“ und „Breaking Bad“ produzierten, die sich qualitativ mit Kinofilmen messen konnten? Geht es nach Onlinediensten wie Netflix, fängt das nächste Goldene Zeitalter gerade an – im Internet: Neben Plattformen wie Youtube möchten auch die kostenpflichtigen Video-on-Demand-Anbieter (VoD) künftig stärker mit traditionellen Sendern konkurrieren – mit eigenen Inhalten und neuen Ausspielungsformen. Der Umsatz mit Onlinevideoverleih ist hierzulande um 64 Prozent auf 29 Millionen Euro gestiegen. Immer mehr geliehene Filme kommen aus dem Internet.

Einer der größten Namen im Onlinestreaming ist das US-amerikanische Unternehmen Netflix. Ende der 1990er als Verleih für DVDs gegründet, bietet Netflix seit einigen Jahren auch Inhalte zum Abspielen im Browser an. Für acht US-Dollar im Monat können die Kunden des Service, der in Europa bis jetzt nur in Großbritannien und Skandinavien verfügbar ist, so viele Videos gucken wie sie möchten. 36 Millionen Kunden zählt das Unternehmen weltweit. Und auch in Deutschland werden die Streamingangebote immer beliebter (siehe Kasten). Selbst ARD und ZDF möchten mit ihrer Plattform „Germany’s Gold“ in diesem Jahr in den Markt einsteigen.

Noch gelten Netflix & Co. nicht als ernst zu nehmender Konkurrent für TV-Sender. Ihr Angebot besteht vor allem aus Filmen und Serien, die bereits im Kino oder Fernsehen liefen. Das könnte sich ändern. Denn Netflix ist selbst Produzent. Mit „Lilyhammer“ hatte die Plattform vergangenes Frühjahr eine exklusive, selbst finanzierte Serie auf seinem Portal angeboten, Anfang Februar folgte mit „House of Cards“ der stark beworbene Nachfolger. In dem Remake der gleichnamigen britischen Serie von 1990 spielt Kevin Spacey einen US-Politiker, der auf dem Weg zu seiner Nominierung als Vizepräsident ein perfides Ränkespiel im Weißen Haus anzettelt.

Die Geschichte von „House of Cards“ ist ambitioniert, Besetzung und Drehbuch erstklassig, die Erwartungen sind ähnlich hoch wie die Produktionskosten: Rund 100 Millionen Dollar soll Netflix in zwei Staffeln zu je 13 Folgen gesteckt haben. Die Wette auf Kevin Spacey hat sich jedoch voll ausgezahlt. Unter anderem dank der ersten eigenen Serie kamen zwei Millionen neue Kunden in den USA hinzu, wie das Unternehmen Ende April mitteilte. Der Umsatz im ersten Quartal stieg im Jahresvergleich um 18 Prozent auf gut eine Milliarde Dollar. Die nächsten Projekte stehen fest: Seit April zeigt Netflix die Mystery-Show „Hemlock Grove“, neue Episoden der Kult-Comedy „Arrested Development“ starten. Nächstes Jahr feiern die Wachowski-Geschwister („Matrix“) dann mit der Science-Fiction-Serie „Sense8“ ihr TV-Debüt. Insgesamt möchte Netflix künftig bis zu fünf Shows pro Jahr produzieren.

Die On-Demand-Anbieter wollen nicht als Resterampe gelten

Der Schritt zum „Original Programming“ ist so riskant wie alternativlos für Netflix. Denn um im umkämpften On-Demand-Markt nicht bloß als Resterampe zu gelten, reicht die nachträgliche und oft kostspielige Lizensierung bekannter Filme und TV-Serien nicht aus. Mit der gleichen Strategie verbuchen auch die Pay-TV-Anbieter seit Jahren solide Nutzerzahlen: Die Kunden kommen wegen ihrer Lieblingsserie – und bleiben für den Rest. Netflix-Chef Reed Hastings mag solche Vergleiche nicht: Netflix nehme sich zwar die anspruchsvolle Programmgestaltung zum Vorbild, wolle das klassische Fernsehen aber nicht auseinandernehmen. Da Netflix keine Werbung schaltet, ist das Portal nicht auf die Strukturen angewiesen, in denen die Einschaltquoten sowohl über die Inhalte als auch über deren Ausstrahlungstermin entscheiden.

Deshalb bricht Netflix mit Programm- und Sehgewohnheiten. Alle Folgen der Eigenproduktionen gibt es bei Netflix auf einen Schlag zum Abruf. Das lineare Fernsehmodell, bei dem Serien Woche für Woche mit möglichst reißerischen Cliffhangern enden, um die Zuschauer erneut vor den Fernseher zu locken, gehört für die Plattform der Vergangenheit an. Was zunächst als Freiheit für die Kunden gilt, wird auch skeptisch betrachtet. Kritiker vermuten, dass Netflix sich mit dieser Strategie um den eigenen Erfolg bringt. Das Diskutieren mit Freunden falle weg, wenn jeder Zuschauer einen anderen Kenntnisstand der Serie habe.

Wie viele Kunden in den ersten zwei Monaten „House of Cards“ gesehen haben, sagt Netflix nicht. Den einfachsten Rechnungen zufolge benötigt Netflix rund 520 000 neue Abonnenten, die je zwei Jahre treu bleiben, um die Produktionskosten wieder einzuholen. Sowohl Microsoft als auch Amazon planen künftig mit eigenen Inhalten. Der US-Versandhändler hat gleich 14 verschiedene Pilotfolgen für seinen Streamingdienst in Auftrag gegeben, mit dabei sind Schauspieler wie Bill Murray und John Goodman. Letzterer zeigte sich bei den Dreharbeiten positiv überrascht: „Ich hatte zunächst Angst, bloß ein Youtube-Video zu drehen“, sagt Goodman, „aber es war dann doch wie an einem TV-Set, mit hoher Produktionsqualität und tollen Regisseuren.“

Eike Kühl

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