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Visionen: „Ein Funkhaus ist keine Klinik“

Wie ein Senderchef sein soll: ein möglicher Rede-Entwurf für Thomas Bellut.

„Ein Sender ist keine Schokoladenfabrik. Zwar braucht er Raumpflegerinnen, Buchhalter, Studiotechniker, Abteilungen, Hauptabteilungen und Direktionen - und daher wahrscheinlich auch einen Intendanten. Was aber ist und tut nun ein Rundfunkintendant? Nun, die einen halten ihn für einen Superdiktator der öffentlichen Meinung, die anderen für einen besseren Zirkusdirektor, wieder andere für einen schlichten Behördenvorstand.

Der Mann auf dem Intendantenstuhl sollte entweder ein musischer Mensch mit stark entwickelter politischer Verantwortung sein oder ein Mann der politischen Erziehung mit Sinn und Herz für das Musische. Seine Arbeit muss auf einer politischen Grundentscheidung beruhen, die klar und eindeutig ist. Dann wird der Intendant die einzelnen Meinungen zu Wort kommen lassen können, tolerant und großzügig, jedoch ohne falsche Objektivität und ohne Parteilichkeit.

Ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass zuweilen Gesichtspunkte der Parität, des Ausgleichs der geistigen Richtungen nicht ohne Beachtung bleiben dürfen. Aber ich möchte sehr deutlich sagen, dass diese Merkmale nur sekundäre Bedeutung haben dürfen. An erster Stelle muss die Qualität stehen.

Der Intendant muss Maßstäbe der Qualität entwickeln helfen, er muss Impulse geben. Nur so kann er ein Programm verantworten, das er selbst gar nicht machen kann. Vielleicht gelingt es, die perfektionistische Tendenz eines Eisenbahnfahrplans oder die Tendenz eines allzu bunten Warenhauscharakters zu dämpfen, an denen unsere deutschen Programme ganz allgemein etwas zu leiden scheinen. Ich scheue die Gesamtverantwortung nicht, aber ich glaube, dass die schöpferische Initiative vieler Mitarbeiter gestärkt werden kann. Ein Funkhaus ist keine Klinik, in der nur der Chef liquidiert.

Ich habe keinen Zweifel, dass dem Intendanten der kommenden Legislaturperiode das schwierige Geschäft auferlegt sein wird, auch sein Wort zur Neuordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik zu sagen und seine ganzen Verbindungen zu nutzen, um diesem Wort Geltung zu verschaffen. Auf dieser Basis wäre es mir eine wichtige Aufgabe, meinen Teil dazu beizutragen, dass zwischen Bund, Ländern und Rundfunkanstalten eine gütliche Einigung erreicht werden kann. Mir scheint, es spricht für die Qualität unserer Demokratie, dass sie sich einen vom Staat unabhängigen Rundfunk leisten kann, und also auch einen gewählten Intendanten an der Spitze einer Rundfunkanstalt. Es wird Ihnen nicht erspart bleiben, in den Mann Ihrer Wahl ein großes Vertrauenskapital zu investieren. Um dieses Vertrauen möchte ich Sie bitten.“

Dieses sind Originalzitate aus der Rede, mit der sich Hans Bausch am 27. Juni 1958 um das Amt des Intendanten beim Süddeutschen Rundfunk bewarb und aus seinem Aufsatz „Genaue Berufsbezeichnung: Intendant“ von 1969. Zusammengestellt von Ernst Elitz.

Der Journalist Hans Bausch war von 1958 bis 1989 Intendant des Süddeutschen Rundfunks (heute mit dem Südwestfunk zum Südwestrundfunk fusioniert) und damit der am längsten amtierende Intendant des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Durch seinen Widerstand gegen politische Einflüsse wurde er zu einer Legende der Rundfunkgeschichte.

Hans Bausch

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