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Medien: Von der Maus verfolgt

Der Comic-Zeichner Art Spiegelman im Arte-Porträt

„Ich jammere gern“, sagt ComicZeichner Art Spiegelman. Also jammert er: Alles sei einfacher, als Comics zu zeichnen. Ein Bild sei einfacher als zwölf Bilder auf einer Seite, und wer nur Texte schreibe, habe es sowieso leichter. Der 56-Jährige sitzt schmunzelnd vor überquellenden Regalen, die fortwährend glimmende Zigarette in der Hand. Allerdings kommt er kaum zum Rauchen, denn Spiegelman redet schnell und viel. Der eigenwillige Humor und die Selbstironie aus seinen Büchern tritt auch beim Interview in seinem New Yorker Studio zutage. „Comics sind eine Einstiegsdroge in die Literatur“, bemerkt Spiegelman. Die Zeiten, als Comics als Schund verdammt wurden, seien vorbei. In den USA steige der Analphabetismus, da sei man froh, „wenn man jemanden überhaupt noch irgendwelche Seiten umblättern sieht“.

Die Vielfalt dieser populären und gering geschätzten Kunstform wird in der „Comix“-Porträt-Reihe bei Arte gefeiert. Fantastische Welten tun sich da zwischen den Buchdeckeln und Heftseiten auf. Doch niemand geht so weit wie Art Spiegelman, von dem die heutige dritte Folge („Der Spiegel der Geschichte“) handelt. Denn Spiegelman erzählt reale Geschichten, und dazu noch aus persönlicher Perspektive. Es gibt ihn selbst als Comicfigur in den Strips über die Terroranschläge des 11. September, denen Spiegelman und seine Familie fast zum Opfer gefallen wären, und über den Holocaust, den seine Eltern überlebt hatten. Die „Maus“-Bücher, in denen er die Berichte des Vaters über die Schrecken von Auschwitz wiedergab, haben ihn berühmt gemacht. Die Juden hat er als Mäuse gezeichnet, die Nazis als Katzen. Die Bücher wurden in 15 Sprachen übersetzt, doch der Erfolg wuchs Spiegelman bald über den Kopf: „Ich fühlte mich von einer fünf Zentner schweren Maus verfolgt“, sagt er.

„Comix“-Autor Benoit Peeters beschränkt sich auf das Interview, in dem Spiegelman auch Auskunft über seine Arbeitsweise mit Zeichenstift, Scanner und Computer gibt, sowie auf einige Beispiele aus dessen Werken. Für die Wirkungsgeschichte seiner ungewöhnlichen Aufbereitung von Zeitgeschichte war wohl in den knapp 25 Minuten keine Zeit. Das ist schade, aber es musste ja auch Raum bleiben für Spiegelmans schrägen Humor. Eine Bildfolge über den 11. September und den unbeschreiblichen Geruch in der Luft Manhattans nach dem Einsturz der Zwillingstürme beendete er mit der Bemerkung: ja, er sei paranoid. „Ich weiß nicht, ob ich lange genug lebe, bis mich das Rauchen umbringt“, schrieb er in die Sprechblase über seine eigene Figur – und natürlich: „hust, hust“, denn es ist ja ein Comic. tgr

„Art Spiegelman – Der Spiegel der Geschichte“, 20 Uhr 15, Arte

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