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Medien: Vor abgeklebtem Fenster

Die letzte „Christiansen“-Talkshow kam aus der Konserve – im deutschen TV eine gängige Praxis

So viel steht fest: Das TVDuell Schröder vs. Merkel am Sonntag wird live übertragen. Nicht live ausgestrahlt wurde am Sonntagabend der ARD-Polittalk „Sabine Christiansen“. Das Aufeinandertreffen von Friedrich Merz (CDU) und Oskar Lafontaine (Die Linkspartei) war eine Aufzeichnung vom frühen Samstagabend. Für den Zuschauer war das nicht erkennbar, es wurde ihm auch nicht verraten. Die Moderatorin Sabine Christiansen kündigte die Runde mit den Worten „An diesem Sonntagabend ...“ an. Die Fenster im Studiohintergrund waren abgeklebt, das Fernsehpublikum musste an eine Live-Sendung glauben.

Die Redaktion von „Sabine Christiansen“ argumentiert so: Der Terminkalender der Gäste hätte eine Livesendung nicht zugelassen. In solchen Fällen werde versucht, die Aufzeichnung so nah wie möglich zum Ausstrahlungstermin zu legen. Die Folie vor den Fenstern sollte nicht verschleiern, dass die Sendung bei Tageslicht aufgezeichnet wurde, sondern das Studio hätte aus lichttechnischen Gründen abgedunkelt werden müssen.

Bleibt die Frage: Wie viel Live-Fernsehen steckt in den deutschen Talkshows?

Auch die Polit-Talkshow des Zweiten Programms, „Berlin Mitte“, macht Ausnahmen vom Live-Prinzip. Zum Beispiel wurde die Sendung vom 18. August, als Bundeskanzler Schröder zu Gast war, bereits am Nachmittag um 16 Uhr 30 aufgezeichnet. Schröder musste anschließend die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft empfangen. „Die Redaktion mag Aufzeichnungen eigentlich nicht, denn wenn bis zum Ausstrahlungstermin noch etwas passiert, ist die ganze Sendung hinfällig“, sagt „Berlin Mitte“-Mitarbeiterin Sabine Orner. Maybrit Illner hatte beim Kanzlergespräch ebenfalls auf den Hinweis verzichtet, dass die Sendung aufgezeichnet wurde, wie es beispielsweise bei Interviews in den Nachrichtenmagazinen üblich ist.

Die tägliche n-tv-Talkshow „Maischberger“ werde, so sagt n-tv-Sprecher Philip Hiersemenzel, „zu 80 Prozent live ausgestrahlt“. Auch wenn das Ziel – der Aktualität und der besonderen Atmosphäre wegen – immer ein Live-Gespräch mit dem „Gast des Tages“ sei, müsse hin und wieder aufgezeichnet werden. Es könne eben nicht jeder der eingeladenen Teilnehmer zum Startpunkt des Gesprächs um 17 Uhr 10 im Studio sein. Oft werde dann eine Stunde vor dem Ausstrahlungstermin „live to tape“ aufgezeichnet. Bei dem knappen Vorlauf seien gegebenenfalls nur Kürzungen möglich. Bei der erneuten Ausstrahlung von „Maischberger“ am Abend unterbleibt der Hinweis, dass hier eine Wiederholung läuft. Hiersemenzels Erklärung: „Für uns ist die Sendung um 22 Uhr die eigentliche Hauptausstrahlung, da haben wir deutlich mehr Zuschauer als am späten Nachmittag.“ Bei größeren Zeitspannen zwischen Erstausstrahlung und Wiederholung würde der Zuschauer auf die Wiederholung hingewiesen.

n-tv orientiert sich in der Kennzeichnungspraxis an den Unterhaltungstalkshows, die fast alle aufgezeichnet sind, obwohl sie als frische Ware gelten. Während beim Nachmittagstalk von „Fliege“ drei Sendungen auf einmal produziert worden sind, wird bei „Kerner“ täglich nur eine Show aufgenommen – zwischen 17 und 18 Uhr des Ausstrahlungstages. Ausnahme: Die Kochsendungen, die freitags gezeigt werden. Weil das Studio dafür umgebaut werden muss, werden immer gleich zwei auf einmal produziert. Der Grund dafür, dass die Talksendungen aufgezeichnet werden, ist, dass Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner und auch Harald Schmidt schon um acht Uhr und nicht erst um Mitternacht Feierabend haben wollen. jhb/nol

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