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Medien: Vorstand mit Persilschein

Am Mittwoch hielt Springer Hauptversammlung ab. Einer fehlte: Leo Kirch

„Der größte Fehler ist die Angst vor einem Fehler. Angst vor Fehlern blockiert das Management.“ Das waren die abschließenden Sätze von Aufsichtsratschef Giuseppe Vita am Ende der Hauptversammlung des Axel Springer Verlags am Mittwoch in Berlin. Viele Fehler waren im vergangenen Jahr dem Vorstand des Verlags vorgeworfen worden, und Fehler warfen einige Kleinaktionäre dem Vorstand auch in diesem Jahr vor.

Dennoch verlief die Hauptversammlung am Mittwoch weitaus weniger turbulent als im Juni 2002 bei der letzten ordentlichen und im September 2002 bei der außerordentlich einberufenen Hauptversammlung. Leo Kirch fehlte.

Jedes Jahr hatte man die Gelegenheit, ihn dort oben in der hinteren Reihe neben Verlegerwitwe Friede Springer zu sehen. Und man dachte, ja, es gibt ihn doch. Seinetwegen zogen sich die Hauptversammlungen zuletzt über viele Stunden hin, bis in den Abend. Vorbei. Auch seine Angewohnheit, auf den beiden letzten Hauptversammlungen mit Zwischen- oder „Hurra!“-Rufen die anwesenden Kleinaktionäre und Journalisten zu unterhalten, fehlte den schaulustigen Beobachtern unter den Kleinaktionären. Grund zum Lachen gab es am Mittwoch nur dann, wenn der kleine Aufsichtsratschef Giuseppe Vita vom Rednerpult wegtrat, um für seinen knapp zwei Meter langen Nachfolgeredner Mathias Döpfner Platz zu machen. Das Rednerpult ist die technische Neuerung bei Springer. Wie durch Geisterhand erhob es sich für Döpfner. Kam der deutlich kleinere Vita zurück, dauerte es immer einige Sekunden, bis er hinter dem schrumpfenden Pult wieder für alle sichtbar wurde.

Es sind immer die Kleinigkeiten, die im Gedächtnis bleiben. Eine weitere, berichtenswerte gibt es vom Mittwoch. Als Vita zu Beginn der Veranstaltung seinem Vorgänger, dem langjährigen Aufsichtsratschef Bernhard Servatius, dankte, wurde geklatscht. Wer nicht klatschte, war Axel Sven Springer, Aufsichtsratsmitglied und Enkel des Verlagsgründers. Die juristischen Querelen mit Kirch mag der Verlag weitgehend ausgetragen haben. Dafür streitet sich nun der Verlegerenkel und Erbe Axel Sven Springer mit der Verlegerwitwe vor Gericht, und da spielt Servatius als ehemaliger Testamentsvollstrecker keine unwesentliche Rolle. Vergangene Woche scheiterte ein Vergleich vor Gericht. Axel Sven Springer fühlt sich im Recht, einen höheren Erbanteil einfordern zu können, und glaubt, 1985 über den Tisch gezogen worden zu sein. Damals war er gerade mal 19 Jahre alt.

Die Bilanzzahlen, die Vorstandschef Döpfner am Mittwoch präsentierte – die Rückkehr in die Gewinnzone, der „Turnaround“ –, sind bekannt. Ebenso das Ziel, die Profitabilität des Unternehmens zu steigern. Der Fokus liegt auf dem Printgeschäft. Um hier Wachstum zu erzielen, nannte Döpfner vier Strategien: Erstens müssten die Vertriebspreise erhöht werden; es könne nicht sein, sagte er, dass ein Cappuccino um so viel teurer sei als die Zeitung dazu. Zweitens sei eine Konsolidierungswelle bei Regionalzeitungen zu erwarten. Fast achtzig Prozent aller Zeitungen seien in Familienbesitz, sagte er. Springer scheint also auf Zukäufe zu hoffen, außerdem auf Allianzen von mehreren Zeitungen, um das eingebrochene Rubrikengeschäft mit gemeinsamen Internet-Angeboten aufzufangen. Drittens seien neue Titel geplant, auch innerhalb der „Bild“-Gruppe. Viertens sei es Ziel, durch Internationalisierung von Zeitungs- und Zeitschriftenmarken den Auslandsanteil von jetzt 15 „auf mindestens 30 Prozent“ zu erhöhen. Langfristig soll die Rendite des Verlags zweistellig werden. Um „internationale Standards“ zu erreichen, sagte Döpfner, „müssen sich jedoch die „Standortbestimmungen ändern“. Er nannte die Regelungen im deutschen Arbeits- und Kartellrecht.

Der für den Springer-Vorstand wohl beruhigendste Tagesordnungspunkt war der Vortrag des Wirtschaftsprüfers Roland Schulz von der BDO Deutsche Warentreuhand AG. Kirch hatte im vergangenen Jahr den Vorstand beschuldigt, seine Pflichten verletzt und ihn bewusst geschädigt zu haben. Das Ergebnis der Sonderprüfung fasste Vita im Anschluss zusammen: „Sie haben dem Vorstand einen Persilschein ausgestellt.“

Noch eine Kleinigkeit gab es übrigens, die für Lacher gesorgt hat: Der fast fertige Neubau in der Kochstraße ist zu zwei Dritteln vermietet. Im Erdgeschoss des Springer-Verlags finden geplagte Angestellte und Vorstände dann Fachärzte und ein Sonnenstudio.

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