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Aus dem Schatten des Vaters: Stephan Lamby hat für den WDR Walter Kohl porträtiert.

© WDR

Walter Kohl im Porträt: Der Sohn vom Kanzler

TV-Autor Stephan Lamby kennt sich aus in der Familiengeschichte Kohl. Dieses Mal steht nicht der Altkanzler im Mittelpunkt, sondern dessen ältester Sohn Walter.

Wer die Website von Walter Kohl ansteuert, landet bei einem „Zentrum für eigene Lebensgestaltung“. Der älteste Sohn von Altkanzler Helmut Kohl bietet Seminare an, spricht als eine Art Versöhnungs-Coach über die „Harmonie der 3 Zeitzonen“, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft also. „Was für ein Weg: Aus der Selbstfindung wird eine Geschäftsidee“, kommentiert Stephan Lamby in seinem Film über den 50-Jährigen. Ohne einen ironischen oder missbilligenden Unterton übrigens, denn alles in allem ist der Autor auf der Seite seines Protagonisten. Lamby, Autor zahlreicher Politiker-Porträts, kennt sich aus in der Familiengeschichte der Kohls. Auch den Vater hat er vor zehn Jahren bereits für einen ARD-Zweiteiler („Helmut Kohl - Ein deutscher Kanzler“) ausführlich interviewt. Auszüge daraus hat er für seine neue Arbeit allerdings nicht verwendet.

Stattdessen haben hier Walter – und auch sein jüngerer Bruder Peter – die Gelegenheit, ihre Version zu erzählen, wie sie es bereits in ihren Büchern getan haben. Lamby reist mit Walter Kohl zu verschiedenen Schauplätzen, angefangen bei der Toilette seiner ehemaligen Schule in Oggersheim, wo der Sohn des prominenten Politikers nach eigenen Aussagen „mehrmals ziemlich zusammengeschlagen“ wurde. In der Familie fand Walter offenbar kein Gehör für seine Nöte.

Der heranwachsende „Sohn vom Kanzler“ flüchtet nach seiner Bundeswehrzeit einige Jahre in die USA. Nach seiner Rückkehr verliert sein Vater die Bundestagswahl und wenig später an Ansehen und Rückhalt in der Partei. Walter Kohl kritisiert im Zusammenhang mit der Parteispenden-Affäre 1999 seinen Vater, aber deutlicher noch die CDU. Die Partei habe damals „menschlich versagt“, sagt er, und „Frau Merkel“ sei es nur um die Macht gegangen.

Keine Harmonie in der Familie Kohl

„Ich behaupte, ohne die Parteispenden-Affäre wäre meine Mutter nicht tot“, sagt er. Bruder Peter brachte außerdem – abgestimmt mit Walter – in seinem Buch das angeblich bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre begonnene Verhältnis Helmut Kohls mit Maike Richter, seiner jetzigen Ehefrau, ins Spiel. Das alles sei für seine kranke Mutter „kumulativ zu viel“ gewesen, sagt er im Film. Von Harmonie, egal in welcher Zeitzone, kann bei der Familie Kohl also wohl keine Rede sein. Dafür hat sich Walter Kohl emanzipiert, von der „Sohn vom Kanzler“-Rolle und den einst politisch zweckdienlich inszenierten Heile-Welt-Familienbildern. Lamby spricht von der „Illusion der bürgerlichen Familie“ und davon, dass die Söhne selbst Schluss machen mit dem „falschen Bild“. Aber Kamera-Bilder sind immer Inszenierungen, auch bei Lamby. Ganz nahe zoomt die Linse heran, wenn Walter Kohl am Grab der Mutter steht. Und wenn er auf der Rhein-Insel Falkenau, wo er nach dem Tod der Mutter in vorübergehender Verzweiflung seinen eigenen Selbstmord „minutiös“ plante, nachdenklich ins Wasser blickt, sind wir dank Lambys Kamera als Zaungast ebenfalls dabei. Sind das nun die richtigen Bilder? Jedenfalls neue, andere. Thomas Gehringer „Walter Kohl – Aus dem Schatten des Vaters“, WDR, Donnerstag, 22 Uhr 30

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