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WAZ-Gruppe: Das Essener Modell

Die WAZ-Gruppe macht Redakteuren, Agenturen und Verlagen eben wenig Freude.

Viele Zeitungen stecken in der Krise. Bodo Hombach weiß das. Er ist Geschäftsführer der Essener WAZ Mediengruppe, die die Auflagen- und Einnahmeverluste auf besonders rigorose Weise auffangen will: 262, knapp ein Drittel aller Redakteursstellen bei den vier Titeln „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ), „Westfälische Rundschau“ (WR), „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“ (NRZ) und „Westfalenpost“ (WP), sollen gestrichen, insgesamt 30 Millionen Euro jährlich gespart werden. Für den „Cicero“ hat Hombach einen Artikel geschrieben, in dem der Manager „mit den verkommenen Sitten eines unkritischen Medienbetriebs“ abrechnet, wie der Vorspann vollmundig verspricht. Hombach weist auf Defizite der journalistischen Praxis hin, zum Beispiel: „Karge Honorare in einigen Medien machen zusätzliche Einnahmen aus PR-Tätigkeiten verlockend.“ Das führe zu Schreib- und Recherchehemmung. Die Mitarbeiter in Hombachs Zeitungsreich werden dies sicher mit Vergnügen lesen. In Sachen Kargheit ihrer Honorar-Etats lässt sich die WAZ-Gruppe ungern übertreffen.

Wenigstens auf einem anderen Notstandsgebiet haben die WAZ-Manager eingegriffen: „In vielen Blättern und Sendern werden Agenturberichte ungeprüft übernommen. Man hört, sieht und liest denselben Bericht“, sagt Hombach. Das kann den Kunden der WAZ-Zeitungen und des Internetportals derwesten.de (im Netz kooperiert die WAZ-Gruppe mit MDR und WDR) nur bedingt passieren. Seit dem 1. Januar hören, sehen und lesen sie keinen Bericht mehr der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die WAZ-Gruppe hat den Vertrag nicht verlängert, spart drei Millionen Euro im Jahr. „WAZ“-Chefredakteur Ulrich Reitz bezeichnet das als „strategische Entscheidung, die zufällig mit der Zeitungskrise zusammenfällt“. Reitz, der bereits als Chef der „Rheinischen Post (RP)“ den dpa-Basisdienst abbestellte, will erreichen, dass in Redaktionen häufiger selbst recherchiert und geschrieben wird.

Ganz ohne Agenturen kommt allerdings auch das Reitz-Modell nicht aus. Die WAZ-Blätter nutzen andere Agenturen wie ddp, AFP, AP und Reuters. Wird die Zeitung wirklich besser ohne dpa? „Ein hoher Anteil eigener Beiträge bedeutet keinen Widerspruch zu einem Bezug des dpa-Basisdienstes. Es gibt auch einen Wert jenseits der gedruckten Beiträge: Wir brauchen einen Grundstock an Nachrichten, der uns Sicherheit und Themenanregungen bietet, was dann wieder Anreiz für die eigene Recherche sein kann“, sagt Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“, die zeitweise ebenfalls dpa abbestellt hatte. Zuvor hatte er bereits als Chefredakteur bei der „Lausitzer Rundschau“ dpa wieder eingeführt. Beide Blätter erscheinen wie der Tagesspiegel im Holtzbrinck-Verlag.

Zurzeit verzichten neben der „RP“ nur die Chemnitzer „Freie Presse“ und die Ludwigshafener „Rheinpfalz“ auf den Basisdienst, beziehen andere Angebote der dpa, etwa den Bilderdienst. Dagegen hat die WAZ-Gruppe sämtliche Verbindungen gekappt und will am liebsten auch ihre Anteile als dpa-Gesellschafter verkaufen. Damit steht ein besonderes Modell zur Disposition: Die dpa wird von 190 Medienunternehmen getragen. Die Höhe der Abonnementsgebühren richtet sich nach der Auflage, so können auch kleinere Blätter ihren Lesern eine gewisse Grundversorgung gewährleisten. „Jeder Chefredakteur muss für seinen Titel den richtigen Weg finden, aber auf den dpa-Basisdienst zu verzichten, ist kein besonders solidarisches Vorgehen“, sagt Peter Stefan Herbst. WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus erteilt dieser Form von Solidarität eine klare Absage: „Wir sind nicht verpflichtet, einen schlechten Deal dauerhaft mitzumachen, nur weil wir Gesellschafter sind.“

Zur Eskalation des Streits mit der WAZ-Gruppe trug der Verdacht bei, Redakteure könnten sich aus frei verfügbaren Online-Quellen mit dpa-Informationen bedienen. Dies schien der „WAZ“-Chefredakteur im Interview mit dem Magazin „Zapp“ ganz in Ordnung zu finden. Allerdings warf Reitz „Zapp“ eine „extrem verfälschende“ Wiedergabe vor. dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn konterte mit einem Brief an Kunden des Basisdienstes: „Wir werden jeder missbräuchlichen Nutzung unseres Materials nachgehen.“ Seit dem Oktober nutzt dpa die Dienste der Attributor Corporation aus Kalifornien, deren Suchmaschine im Netz nach Übereinstimmungen von Textauszügen fahndet. Ziel ist, Abschreiber zur Kasse zu bitten. „Wir justieren das System noch“, sagt dpa-Sprecher Justus Demmer. Bei der WAZ Gruppe wird unterdessen die Umsetzung der Sparpläne vorangetrieben. Wie der Betriebsrat bestätigt, wurde ein Sozialplan ausgehandelt, der den Beschäftigten der vier Zeitungstitel das Ausscheiden über eine Abfindung und eine Altersteilzeitregelung schmackhaft machen soll.

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