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Der WDR-Elefant macht jetzt auch vor der Kunstsammlung des Senders nicht halt

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Update

WDR verkauft Sammlung: NRW-Kulturministerium prüft Liste

Der Westdeutsche Rundfunk will 50 Kunstwerke versteigern lassen. Nach zwei Bildern sucht der Sender noch

Nordrhein-Westfalens Kulturministerium will prüfen, ob bei den zum Verkauf stehenden Kunstwerken des Westdeutschen Rundfunks (WDR) das Kulturgutschutzgesetz greift. Ministerin Ute Schäfer (SPD) habe in einem Brief an WDR-Intendant Tom Buhrow eine Liste der Kunstwerke eingefordert, verlautete am Donnerstag aus der Landesregierung. Diese Liste solle der WDR noch vor dem Auktionstermin in London an das Ministerium schicken. Schäfer verlange auch Auskunft über den derzeitigen Standort der Kunstwerke. Der WDR hatte angekündigt, voraussichtlich im nächsten Frühjahr etwa 50 Bilder bei Sotheby's in London versteigern zu lassen. Insgesamt hat der Sender etwa 600 Werke in seinem Bestand. Eine WDR-Sprecherin sagte auf Anfrage, keines der zum Verkauf ausgewählten Bilder sei in der Datenbank für national wertvolles Kulturgut aufgeführt. Daher könnten die Objekte zum Kauf angeboten werden. Außerdem hätten die wertvollsten Bilder des WDR keinen spezifischen NRW-Bezug.

Das Kulturgutschutzgesetz soll national wertvolle Kulturgüter vor dem Verkauf ins Ausland schützen, indem sie in ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen werden. Das kommt einem Ausfuhrverbot gleich. Schäfer hatte bereits im Fall des Verkaufs der Kunstsammlung der zerschlagenen WestLB durch deren Nachfolgegesellschaft Portigon ein solches Verfahren für neun Kunstwerke eingeleitet. Der WDR wollte auf Anfrage keine Informationen geben, welche Kunstwerke versteigert werden sollen, da dies die Spekulationen auf dem Kunstmarkt anheizen und den Verkauf beeinflussen könne. In einer Mitteilung hatte der Sender zuvor erklärt, in dem Konvolut seien vier Werke mit geschätzten Einzelwerten im sechs- und siebenstelligen Bereich. Der ehemalige WDR-Kunstbeauftragte Walter Vitt sagte der Deutschen Presse-Agentur, unter anderem habe der Sender Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Ma Beckmann und Oskar Kokoschka.

WDR sucht noch zwei Bilder

Zu Spekulationen über das mögliche Verschwinden von Bildern aus dem WDR-Bestand sagte die Sprecherin, derzeit seien zwei Bilder nicht auffindbar. Das bedeute nicht, dass sie verschwunden seien. Infolge der derzeit standardmäßig laufenden Inventur im gesamten Haus gehe man davon aus, die Bilder wiederzufinden. Der Wert dieser Werke sei allerdings gering.

Nach Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) kritisierte auch die Kulturstiftung der Länder den geplanten Kunstverkauf. Es gehe um Kunstankäufe aus Gebühren, sagte die Generalsekretärin Isabel Pfeiffer-Poensgen. „Man hätte den vielen nordrhein-westfälischen Museen die Bilder zur Verfügung stellen können.“

Jeder Jeck ist anders, heißt es im rheinischen Grundgesetz. Also wird am Montag eine Kunstsammlung für Nordrhein-Westfalen vor dem Verkauf gerettet, also wird am Mittwoch eine andere Kunstsammlung aus NRW zum Verkauf gestellt. Am Montag hatte ein Runder Tisch mit Ministern, Kunstexperten sowie dem Vorstand von Portigon und der NRW.Bank vereinbart, die wichtigsten Werke aus dem Kunstbesitz der ehemaligen Landesbank WestLB zu Marktpreisen an eine Stiftung verkaufen, die an die landeseigene Kunstsammlung NRW angebunden wird. Die Furcht, wertvolle Werke könnten ins Ausland gehen, besteht nicht mehr. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) geht einen ganz Weg, er will etwa 50 Bilder bei Sotheby's versteigern lassen, voraussichtlich im kommenden Frühjahr in London. Der WDR hatte den Verkauf der Bilder schon vor einiger Zeit im Rahmen seiner Sparanstrengungen angekündigt. In der Mitteilung wies der Sender darauf hin, dass es sich nicht um eine zielgerichtet aufgebaute Kunstsammlung handele, sondern um eine „Ansammlung von Bildern, Fotos, Skulpturen und Drucken“, großenteils aus den Jahren 1956 bis 1965. Insgesamt gehe es um etwa 600 Werke. Die meisten davon seien geschätzt weniger als 5000 Euro wert und würden nicht verkauft, weil der Aufwand hier in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen würde. Der Beauftragung von Sotheby's sei das Ergebnis eines transparenten und unabhängigen Wettbewerbs. Ziel der Auktion sei es, „ein bestmögliches wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen“.

Zahlreiche Sender haben Kunst gekauft

Die Kunstschätze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Sie erhielten erst Aufmerksamkeit, als der WDR-Chef im vergangenen Jahr verkündete, 2015 einen Teil der WDR-Sammlung verkaufen zu wollen, um damit Löcher im Senderetat zu stopfen und sich auf die "Kernaufgabe des WDR, der Erstellung von Programm zu konzentrieren", wie es in der Sendermitteilung vom Mittwoch heißt. Auf einen Wert von drei Millionen Euro bezifferte Buhrow den Wert der rund 600 Werke, die der WDR ab den 50er Jahren erwarb. Der Erlös bei Sotheby's dürfte weit darüber liegen. Ein Jahresbudget von circa 40 000 D-Mark hätte für Kunstankäufe im WDR zur Verfügung gestanden, sagte Walter Vitt dem Tagesspiegel, der die WDR-Sammlung mit aufgebaut hat und bis 1998 ehrenamtlicher Kunstbeauftragter des Senders war. Weil die Preise vieler Werke nach dem Krieg günstig waren, konnte der WDR 1956 beispielsweise einen echten Ernst Ludwig Kirchner kaufen – für gerade einmal 600 D-Mark. Der Kirchner hing lange im Büro von Ex-Intendant Fritz Pleitgen, auch andere Expressionisten zierten und zieren die Chefetage: Max Beckmann, Emil Nolde, Oskar Kokoschka. Der WDR nahm die Sache mit der Kunst zeitweise so ernst, dass er nicht nur einen einzelnen Kunstbeauftragten hatte, sondern einen ganzen Kunstausschuss. „Da wurde überlegt, wo noch Kunst hin muss“ erklärte Vitt. Im Sender galt das ungeschriebene Gesetz, dass Redakteure statt Familienfotos Kunst an den Wänden haben sollten. „Wir wollten ein Haus mit zeitgenössischer Ästhetik und Ambiente“, sagte Vitt. Das sollte die Journalisten zu besonders kreativer Arbeit animieren.

Wer nun glaubt, der WDR sei einfach ein ganz besonders kulturinteressierter Sender, der irrt. Ob ARD-Häuser oder das ZDF, alle öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten haben größere Bestände im Depot. Sowohl der Norddeutsche Rundfunk als auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg machen ihre Kunstwerke mittlerweile regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich: Der NDR schickt seine populärsten Exponate unter dem Titel „Weite und Licht“ auf Wanderausstellungen, darunter Bilder von Paula Modersohn-Becker, Fritz Kronenberg, Günter Grass und Armin Mueller-Stahl. Auch der RBB präsentierte seine Sammlung beispielsweise in der Ausstellung „Land, Stadt, Land – Blicke auf Berlin und Brandenburg“ im Mühlenhaupt-Museum in Kreuzberg. Zu sehen waren unter anderem Bilder von Karl Oppermann und Susanne Hoppe. Außer dem WDR hat noch keine Anstalt Verkaufsabsichten geäußert.

In nur wenigen Anstalten erfolgte der Ankauf nach einem großen Plan. Mal war es das mehr oder weniger große Kunstinteresse des Intendanten, mal gab es eben den Ausgabeposten "Kunst". Beim WDR steckte noch etwas anderes dahinter: Da wurden die Exponate einst keineswegs als Notgroschen für schlechte Zeiten angekauft. Vielmehr, so erzählte der Kunstbeauftragte Vitt empört, habe das Kunst-Engagement des WDR vor allem zu Beginn historische Gründe gehabt. Man wollte mit seinem Bekenntnis für ehemals verfemte Künstler ein Zeichen setzen gegen die Kulturbarbarei der Nationalsozialisten. Es ist ein in vielerlei Hinsicht bedeutendes Erbe, das die größte ARD-Anstalt jetzt zum Verkauf stellt.

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