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Medien: Weniger Doku, besseres Drama

Ein Sandkorn in der Guido-Knopp-Maschine: Hans-Erich Viet inszeniert „Die Stunde der Offiziere“

Das Doku-Drama, meint Guido Knopp, sei die passende Form für die Darstellung einer Militärverschwörung. Nun hält Knopp das Doku-Drama seit Jahren für die passende Form für jede Art der historischen Darstellung. Das ist mit der Zeit ein bisschen zum Problem geworden. Eine gewisse Knopp-Müdigkeit sei zu bemerken, sagt jemand aus der Produktion. Was ja auch mit der Starre des Formats zusammenhängen könnte. Das Geschichts-Frikassee aus Archiv-Material, nachgestellten Szenen und Zeitzeugen haben viele über.

Heute läuft im ZDF „Die Stunde der Offiziere“, der Film zum Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Im Wettlauf von ARD und ZDF um die Interpretationshoheit über historische Tage konnte man bislang immer sicher sein, dass zumindest Knopps nachgespielte Szenen verblassen würden gegen die der ARD. Wer die „Die Stunde der Offiziere“ gesehen hat, ist nicht mehr so sicher.

Vom 20. Juli gibt es kaum Archivmaterial. Was den Film deshalb zusammenhält, ist der dramaturgische Faden. Deshalb bekommen die Schauspieler ein besonderes Gewicht. An dieser Stelle kommt Hans-Erich Viet ins Spiel. Der Regisseur, der zum ersten Mal mit dem eingespielten Team vom ZDF zusammenarbeitet, ist vermutlich der Erste in der Knopp-Maschine, der über die Qualität eines Blicks nachdenkt. Über den Blick des großartigen Hermann Lause als Generaloberst Friedrich Fromm zum Beispiel, in dem Kälte, Pflicht, Wissen und jede Menge Vergangenheit liegen. Über den Blick von Harald Schrott als Graf Stauffenberg, und über die Lakonie des Todes in einer militärischen Welt. „Ich bin ja kein gewachsener Knopp-Mann“, sagt Viet. Und das sieht man den Szenen nun an. Man ist bei Knopps Spielszenen gewohnt, „historisch belegte Originalzitate korrekt abzusondern“, erzählt Viet, „aber das ist ja noch keine Szene“. Recht hat der Mann, und wenn ihm seine Ehre als Regisseur lieb ist, muss er dafür sorgen, dass das anders wird. Viele Szenen des Blumenberg-Buches mussten dahingehend geändert werden, dass sie diesen Namen verdienten. Niemand soll sich vorstellen, dass das einfach war, in einem eingespielten Team wie dem um Knopp.

Viet hat versucht, den Gehalt der Sätze jenseits des historischen Zitats auch in die Gesichter der Schauspieler zu transportieren. „Man muss die Komplexität der Situationen verstehen können“, man müsse neben den Worten sehen können, was es bedeutet, wenn der eine langjährige Weggefährte dem anderen die Waffe reicht, damit dieser sich jetzt bitte erschießt. Das ist ja noch lange nicht historisch falsch. Viet bekam es mit Widerstand zu tun – und mit der Angst. Der Angst der Redaktion, das eingeübte Format zu verlassen und damit zu entwerten.

Das ist nicht passiert. Sicher, dies ist ein Film aus dem Hause Knopp. Die Zeitzeugen gucken großköpfig aus dem schwarzen Hintergrund. Und doch erhalten die gespielten Szenen aus sich selbst heraus eine völlig neue Daseinsberechtigung.

Die Knopp-Maschine ist geschmiert mit Emotion. Der Regisseur Hans-Erich Viet aber ist ein trockener Mensch. Viet ist Ostfriese. Er hält nichts von zuviel Süße im Stoff. Es kann nicht gehen, sagt er, dass schon der Regisseur sichtlich von den Emotionen davongetragen wird, die doch der Zuschauer erst empfinden soll. So viel hat er klargemacht. Schwierige Situationen wirken trocken erzählt umso ungeheuerlicher, sagt er. Deshalb kann Viet auch Zeitlupen nicht leiden, hat eine Abneigung gegen Rührseligkeit und setzt statt auf den Schalter in der Kamera auf die Ausdruckskraft seiner Schauspieler.

Mit Schauspiel wollte auch die ARD in Jo Baiers „Stauffenberg“-Film, der schon Ende Februar ausgestrahlt wurde, das Rennen für sich entscheiden. Der Film ritt dabei auf der Welle der Emotion: er hat einen appetitlichen Hauptdarsteller seine sehnsüchtige Liebesgeschichte erleben lassen, die dann abrupt verkümmert. Sebastian Koch als Stauffenberg ist die zentrale Figur. Sein Privatleben wird in Bildern mit wohlgekämmten Kindern angedeutet, die ihm einen Gutenachtkuss geben dürfen, und mit der Frau, die sich ihm plötzlich entfremdet. Doch wo die ARD diese Szenen filmisch auskostet, in Zeitlupen verweilt, letzte Blicke und letzte Zeilen ins Bild nimmt, ein jüdisches Mädchen seine grausamen Erfahrungen erzählen lässt, nimmt sich das ZDF zurück. Die Szenen werden dafür umso aufwühlender. Im Film der ARD nannten sich die Offiziere beim Vornamen. Beim ZDF beim Nachnamen. So viel zu Nähe und Distanz. Es sieht aus, als hätte Knopp die ARD ausgerechnet in der Disziplin Schauspiel geschlagen.

Und doch ist der Schwerpunkt der beiden Filme völlig unterschiedlich gesetzt. Die Faszination für Knopp und Viet liegt im Militärgefüge und nicht im Privatleben. Sie interessiert die preußische Art der Offiziere, ihr manchmal verquaster aber konsequenter Ehrbegriff, der aus dem Adel und aus der Militärtradition rührt. Ein Typus Mensch und eine soziale Gruppe, die heute eigentlich nicht mehr existieren. Leute, die sich lieber selber erschießen als erschossen zu werden. Knopp sagt, er habe ein Gruppenporträt versucht, und Viet sagt, das Faszinierende sei die soziale Situation dieser Männerriege. Nur wer sie kennt, kann versuchen zu verstehen, warum das Attentat erstens so spät und zweitens überhaupt noch kam, obwohl ein Ende des Krieges absehbar war.

Und doch duckt sich auch hier der Zuschauer gelegentlich im Faktenhagel, Knopp verdichtet, wie wir es von ihm gewohnt sind. Die Musik pulst unerbittlich einem Höhepunkt entgegen, und auch die echte Träne des Zeitzeugen fehlt nicht als Indiz der Authentizität. Der Höhepunkt eines Knoppschen Doku-Dramas. Derart konsequent ist jedoch dieses Mal der Verlauf der Spielszenen, dass nun die Zeitzeugen und Archivmaterialien wie Unterbrechungen wirken, und nicht umgekehrt.

Dies ist ein besserer Knopp, denn es ist weniger Knopp, wenn man so will: Weniger Doku, besseres Drama. Man mache einfach mal den Test, welche Bilder nach drei Tagen noch im Gedächtnis haften. Ein Archivbild wird kaum dabei sein.

„Die Stunde der Offiziere", 20 Uhr 15, ZDF

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