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Medien: Wenn die Vergangenheit verschwindet

Erik Zabel? Jan Ullrich?

Erik Zabel? Jan Ullrich? Gerd Audehm sagen diese Namen nichts. Na ja, was soll’s, könnte man meinen, ist ja auch nicht jeder ein Tour-de-France-Fan. Nur dass Gerd Audehm selbst einmal bei der Tour de France mitgefahren ist, eine zeitlang fuhr er sogar für das Team der Telekom. Aber das war in seinem anderen Leben. Seinem ersten Leben.

Am 8. Juli 2000, Audehm sitzt im Fitness-Studio auf einem Spinning-Rad – da, urplötzlich, fällt er um, Herzflimmern, Herzstillstand. Zwei Wochen liegt der Mann im Koma. Als er erwacht, ist sein Leben verschwunden. Audehm hat sein Gedächtnis verloren. Seine Vergangenheit ist verschwunden.

Wie lebt es sich ohne Gedächtnis? Regina Schilling hat versucht, das Leben des Mannes einzufangen. Ein einfühlsamer, eindringlicher Film. Die Geschichte eines Mannes, die nur andere erzählen können, weil er sie nicht mehr kennt. Die Geschichte eines Mannes, der seine Frau und seine Tochter nicht wieder erkennt. Die Frau ließ sich scheiden.

Erschreckend, dieser Vergleich: Audehm früher, bei der Tour de France, im Rosa-Trikot, sogar auch mal im Gelben Trikot, strahlend – und Audehm jetzt, hilflos, wie ein Kind, oft apathisch, orientierungslos. Es schmerzt ihn, wenn er mit der Geschichte dieses anderen Mannes konfrontiert wird, der er doch selbst ist. Geheimnisvoll bleibt die Ursache von Audehms Amnesie. Sicher spielt der Sauerstoffmangel, unter dem sein Hirn während des Herzinfarkts litt, die entscheidende Rolle.

Die Neurologen im Film deuten auch darauf hin, dass psychologische Faktoren ihr Scherflein zum Gedächtnisverlust beitragen könnten. Man fängt an, sich für eine zweite Geschichte in diesem Film zu interessieren: die eines ehrgeizigen Sportlers, eines großen Talents, eines Getriebenen, den man „bremsen musste“, wie sein Trainer erzählt – und der doch scheiterte.

Ein Tag mit Folgen, Arte, 21 Uhr 35

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