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Medien: Wenn Frauen zu sehr geizen

Vor vierzig Jahren erschien „Petra“ zum ersten Mal. Zum Geburtstag hat ihr Chefredakteur zwei Wünsche

Klaus Dahm isst keine Bratkartoffeln. Zu ungesund. Er ist auch davon überzeugt, dass Gewichthalten und Sport allein nicht gegen Cellulite hilft. Da gibt es seiner Ansicht nach durchaus die eine oder andere Creme, die gegen hässliche Dellen an Po und Schenkeln wirkt. Klaus Dahm kennt sich in diesen Dingen aus. Er ist seit mehr als sechs Jahren Chefredakteur der Frauenzeitschrift „Petra“. Am Donnerstag erscheint die Jubiläumsausgabe. „Petra“ feiert 40. Geburtstag.

In einem Lexikon über Vornamen steht: „Bei ,Petra’ handelt es sich um einen der beliebtesten weiblichen Vornamen aus der Zeit zwischen 1955 und 1965. Erstmals trat dieser Vorname um 1940 in der deutschen Namensstatistik auf. In den 80er Jahren verblasste die Popularität allmählich.“ Trifft das auch auf die Zeitschrift zu? 1980 verkaufte „Petra“ jeden Monat 580 000 Exemplare. Aktuell sind es 244 000.

In einem Hamburger Restaurant, um die Ecke des Jahreszeiten-Verlags, in dem „Petra“ erscheint. Eine Stunde, nachdem Dahm die Bratkartoffeln zurückgehen ließ, traut man sich zu fragen, ob er Verständnis hat für Frauen, die keine Frauenmagazine lesen. „Ich glaube, auch eine Frau, die keine Frauenzeitschriften liest, kann ein glückliches Leben führen.“ Die Antwort beruhigt.

Die Legende erzählt, der Verleger John Jahr senior soll einmal eine Geliebte gehabt haben, die Petra hieß. Nach ihr benannte der damals 64-Jährige das Blatt, das in einer Berliner Wohnung entwickelt wurde und mit der September-Ausgabe 1964 erstmals erschien. 1969 verkaufte Gruner + Jahr „Petra“ an den Jahreszeiten-Verlag. Dort erschien die Zeitschrift „Film und Frau“, die 1966 in „Moderne Frau“ umbenannt worden war und dann mit „Petra“ fusionierte.

Vor „Petra“ existierte abgesehen von „Madame“ keine monatliche Frauenzeitschrift. Den Titel der ersten „Petra“-Ausgabe zierte eine rose Rose. Unter dem Schriftzug prangte die Zeile: „Die Frauenzeitschrift ohnegleichen“. Der wichtigste Part hieß „Petra kauft ein“. Chefredakteur Hans Huffzky schrieb im Editorial: „Weil sie die Schaufenster nicht alle selber ablaufen können, haben wir in der ganzen Bundesrepublik Petras engagiert, die für Sie von Geschäft zu Geschäft eilen, von Hersteller zu Hersteller.“

Schönheitsprodukte und Mode, mit Herstellerhinweis und Preisangabe. Das ist es, was „Petra“ bis heute ausmacht. Natürlich hat sich vieles verändert. Die Serie „Unsere Tochter lernt backen“ aus den 70ern wäre heute undenkbar. Stattdessen nimmt „Petra“ ihre Leserinnen mit auf die Laufstege von Paris, Mailand und New York.

Als der heute 46-jährige Klaus Dahm 1998 nach Stationen bei Warner Brothers, „Cinema“ und „Max“ Chefredakteur von „Petra“ wurde, fand er die Zeitschrift „trutschig“. Das „Strickliesel-Image“ musste verschwinden. Schließlich war „Petra“, für die in jungen Jahren Jil Sander als Redakteurin arbeitete, immer die Modezeitschrift, die die Trends der kommenden Saison kannte. Im Gegensatz zur exaltierten „Vogue“, die erst 15 Jahre nach „Petra“ auf den Markt kam, fühlte sich „Petra“ stets dem „Mainstream“ verpflichtet. Sie hat die normal verdienende 20- bis 30-jährige Frau im Visier.

Dahm achtete darauf, „Petra“ internationaler und glamouröser wirken zu lassen. Sein Ziel war es, die Abhängigkeit von den Vertriebserlösen zu verringern und stattdessen das Blatt anzeigenfreundlicher zu gestalten. Deshalb geht er im Gegensatz zu seinem Vorgänger regelmäßig zu den Modeschauen. Dort werden die Trends geboren, dort sitzen die Anzeigenkunden, die international Werbeetats vergeben.

„Petra“ war neben „Für Sie“ stets die Geldkuh des Jahreszeiten-Verlags. Den beiden ist es zu verdanken, dass Verleger Thomas Ganske sein 2002 eingestelltes Prestigeobjekt „Die Woche“ überhaupt zehn Jahre am Leben halten konnte. Entsprechend vergrätzt war die heute 31-köpfige „Petra“-Redaktion, als fünf Stellen abgebaut wurden. Auch der Redaktionsetat war schon mal höher. Dahm sagt: „Manchmal muss es uns gelingen, aus Wasser und Fischgräten eine Bouillabaisse zu zaubern.“

In den vergangenen Jahren hatte es „Petra“ nicht einfach. Die Anzeigenkunden fuhren ihre Etats zurück, die Konsumflaute setzte ein, und dann wurde Geiz auch noch geil. Eine Katastrophe für eine Zeitschrift, die das hedonistische Weltbild zelebriert. Die Anzeigenseiten schrumpften von 2000 bis 2004 um hundert auf nur noch 217 Seiten im Quartal, und die ohnehin nicht treuen Leserinnen griffen seltener zu „Petra“. Zudem kamen neue und preiswertere Frauenzeitschriften auf den Markt. Die Welle begann mit „Amica“ und „Allegra“; sie stieg an mit „Joy“ und „Instyle“; sie überrollte „Petra“, als „Glamour“ herauskam, dem weitere preiswerte Frauentitel im Pocket-Format folgten. Ganske spricht vom Tiefwurzler „Petra“, an dem auch Zeitschriftenmoden vorüberziehen. Fakt ist, dass der erste Platz unter den monatlichen Frauenzeitschriften für die einstige Marktführerin „Petra“ in die Ferne gerückt ist. Hinzu kommt das Gebaren einiger Verlage, für Anzeigen hohe Rabatte zu gewähren oder gar exklusive redaktionelle Erwähnungen von Produkten zu versprechen. Es kommt vor, dass Anzeigenkunden zusätzliche Nachlässe gewährt bekommen, wenn sie nicht mehr in Konkurrenzzeitschriften werben.

Den Druck der Anzeigenkunden bekommt auch Klaus Dahm zu spüren. Der Zeitschriftenvorstand eines Großverlages sagte einmal öffentlich, das oberste Gebot, Redaktion und Anzeigen zu trennen, müsse man bei Frauenzeitschriften nicht ganz so eisern einhalten. Dafür steckte er viel Prügel ein. Tatsächlich hat er ausgesprochen, was viele seiner Kollegen denken und tun. Dahm weist das für „Petra“ weit von sich. Das Interview in der August-Ausgabe mit einem Beiersdorf-Chemiker über den angeblich Haut straffenden Wirkstoff Q 10 spricht eine andere Sprache. Der Redefluss des Beiersdorf-Mannes auf die Frage „Was macht Q 10 eigentlich so interessant für die Schönheits-Industrie?“ wird nur sanft unterbrochen mit Sätzen und Fragen wie „Das hört sich kompliziert an“, „Können Sie das beweisen?“ oder „Sehr beruhigend“. Beiersdorf ist einer der wichtigsten Anzeigenkunden von „Petra“. Dahm sagt: „Wir verbiegen uns nur bis zu einem gewissen Grad“.

Vielleicht verlangt man zu viel von einer Frauenzeitschrift wie „Petra“. Die Mittdreißigerin aus einer mittleren Durchschnittsstadt will mit „Petra“ ja nur ein bisschen ihrer Welt entfliehen, von den Laufstegen träumen und sehen, wie ein Dior-Top für 830 Euro aussieht. Sie begnügt sich mit Oberflächlichem, definiert sich über ihre Klamotten, verbringt die Freizeit in Boutiquen und glaubt noch immer, Rat zu brauchen, wie sie sich den richtigen Kerl angelt oder mit dem Single-Dasein klar kommt.

Zum Jubiläum seiner „Petra“ wünscht sich Dahm wieder mehr Anzeigenkunden und mehr konsumfreudige Leserinnen. Er ist überzeugt, dass die Zeit zurückkommt, in der beides in Erfüllung geht. Das griechische „Petra“ bedeutet Felsen. Und bekanntlich widersteht ein Fels der Brandung.

Berliner Wurzeln

Entwickelt wurde „Petra“ 1964 in der Berliner Wohnung des damaligen „Constanze“-Chefredakteurs Hans Huffzky. Auf ihre Kompetenz als Ratgeber in Sachen Modetrends setzt auch der heutige Chefredakteur Klaus Dahm.

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