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Medien: Wenn Frauen zu wenig lieben

Der routiniert konstruierte ZDF-Film „Liebe Schwestern“ lebt von der Regie und den Schauspielerinnen Maja Maranow und Anja Kling

Wenn sie gemeinsam vor dem Spiegel stehen und einander im Glas fixieren, sehen sie wirklich aus wie Schwestern, die beiden so verschiedenen Schauspielerinnen Maja Maranow und Anja Kling. Harter Blick, weicher Mund, klare Stirn. Zwei starke, dickköpfige Frauen, die einen Zweikampf antreten, aus dem beide – als Akteurinnen – grandios siegreich hervorgehen, als Figuren scheitern und gewinnen zugleich.

Die ehrgeizige Rechtsanwältin Lea und die zerbrechliche Judith, die sich neben ihrem ungeliebten Mann verträumt und trotzig durchs Leben treiben lässt, sind einander in solider, lebenslänglicher Abneigung verbunden. Dann aber erinnert sich Judith plötzlich der Schwester: Sie hat Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium, wird sterben müssen. Fraglos nistet sie sich bei Lea ein und wirkt selbst wie ein Tumor im scheinbar intakten, in ein enges Zeitkorsett gepresstes Leben der kühlen, Nähe scheuenden Karrierefrau.

„Dieselben Eltern. Die gleichen Gene. Warum ich?“ fragt Judith und schleudert Wortkaskaden voller Gift aus sich heraus, erpresst die Schwester mit Erzählungen schlimmer Kindheitsgeschichten, sie lügt, vertuscht ihren Zustand und fordert doch unmissverständlich ein, was sie in ihrer Einsamkeit braucht: dass die Schwester sie begleitet auf dem Weg zum Ende. Lea ringt um Contenance, macht Fehler im Beruf, der kein Privatleben vorsieht, büßt ihr mokantes Lächeln ein und wird doch langsam weich.

Sie, aus deren Perspektive das wortkarg dramatische Duell abschnurrt, begreift langsam, dass es Wichtigeres im Leben gibt, als im offenen BMW-Cabrio (immer bestens frisiert) durch die Gegend zu rasen und so reibungs- wie skrupellos zu funktionieren.

„Eigentlich habe ich sie nie gemocht“, sagt sie, und ihr windig-verräterischer Liebhaber und Kollege (Jan Gregor Kremp als die einzige schön undurchsichtige, abgründige Figur des Filmes) kontert: „Aber geliebt hast du sie.“ Zwei Frauen, die nicht lieben können, weil sie nicht genug oder zu viel geliebt wurden, finden in der Tragödie zusammen und zu sich selbst und erweisen sich als einander gewachsen in der Stärke des Leben- und Sterbenkönnens.

Keinen Film über die Schrecken einer Krebserkrankung wollte das bewährte Team Hannah Hollinger (Buch) und Matti Geschonneck (Regie) drehen, sondern über sein Dauerthema „Freundschaft, Verrat und seelische Altlasten“. Es konstruiert dafür eine Konstellation, die nach allen Lehrbuchregeln funktioniert. Der Kontrast zwischen der toughen Rechtsanwältin mit Restseele (ein reichlich abgegriffenes Klischee) und der zart-flatterhaften, egoman-verwöhnten Prinzessin, die sich letztlich als die Stärkere erweist, geht auf – und birgt so weder Überraschung noch Geheimnis. Dass die diese beiden Frauen umgebenden Männer ihnen in keiner Weise an Persönlichkeit gewachsen sind, versteht sich ja im Zeitalter der machtvollen Frauenfiguren fast von selbst. Und wenn die beiden Darstellerinnen Maja Maranow und Anja Kling nicht dieses Konstrukt füllen würden mit ihrem Ernst und ihrer verhaltenen Genauigkeit, wenn Matti Geschonneck nicht ein so fulminanter Schauspielerregisseur wäre, versandete das Werk im tragischen Adagio einer Sentimentalität, die mit routinierten Mitteln auf die Tränendrüsen drückt, ohne Erkenntnis zu fördern.

„Liebe Schwester“, ZDF, 20 Uhr 15

Mechthild Zschau

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