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Medien: „Wer hart kritisiert, wird hart kritisiert“

Claus Strunz über die Zukunft der „Bild am Sonntag“ und den sportlichen Umgang mit Prominenten

Ihr neuer Werbeslogan lautet: „Die neue ,BamS’ hat mehr Bums“. Finden Sie diesen Spruch nicht ziemlich albern?

Wieso albern? Ich bin ein glühender Verfechter des Slogans. Zum Start unseres neuen Auftritts passt er perfekt. Er polarisiert, die Menschen reden darüber, und er bringt die Tugenden von „Bild am Sonntag“ auf den Punkt.

Welche Tugenden fassen Sie unter dem Begriff „Bums“ zusammen?

Kraft, Streitlust, Offensive, Schnelligkeit, Pep. Wir produzieren künftig mehr Seiten aktuell am Samstag. Das zahlt sich vor allem im Sportteil aus, den wir um acht Seiten erweitert haben. Jetzt können wir noch intensiver über die erste Bundesliga berichten und uns endlich ausführlich mit der zweiten und dritten Liga sowie mit dem europäischen Fußball beschäftigen. Hinzu kommen mehr Handball, Eishockey, Basketball, Wintersport und für die jungen Leser US-Sport. Das hat richtig Bums!

Seitdem Sie Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ sind, schrumpfte die verkaufte Auflage um 400 000 auf 2,1 Millionen Exemplare. Welche Rolle spielt die Angst, dass die Auflage demnächst unter die psychologisch wichtige Marke von zwei Millionen fallen könnte?

Zur Erinnerung: Wir haben im gleichen Zeitraum den Preis der Zeitung um knapp zwanzig Prozent erhöht, allen Analysen zufolge heute mehr Leser als bei meinem Amtsantritt und ein sehr gut laufendes Anzeigengeschäft. Wir haben also nichts verloren, sondern viel gewonnen. Solange die Erlöse steigen, sind hier alle ziemlich angstfrei.

Es fällt auf, dass die neue „BamS“ zurückhaltender mit Farbe umgeht.

Wir haben die Zahl der verwendeten Farben halbiert. Wenn die Qualität der Inhalte steigt, sollte sich das auch in der Optik wiederfinden.

Früher wirkten die so genannten Qualitätszeitungen wie Bleiwüsten, Boulevardblätter kamen kleinteilig und bunt daher. Beides ändert sich, ebenso die Erlösstruktur: Bei Abo-Zeitungen wird der Verkaufspreis immer wichtiger, bei Boulevardblättern die Anzeigen. Verschmelzen die Gattungen?

Nicht ganz. Aber wenn wir in zehn Jahren wieder beieinander sitzen, werden wir womöglich feststellen, dass sich alle erfolgreichen Zeitungen durch Boulevardelemente auszeichnen. Hinsichtlich des Formats sind wir sowieso Trendsetter. Alle wollen jetzt ein Tabloid – „Bild am Sonntag“ ist ein Tabloid. Meine These lautet: Das Qualitäts-Tabloid mit Bums ist die Zeitung der Zukunft.

Wenn „Bild am Sonntag“ hochwertiger wird, wird dann darunter nicht Platz geschaffen für ein billiges, neues Blatt?

Sollte sich das als zutreffend herausstellen, können Sie sicher sein: Wir sind vorbereitet.

Kaum war der neue „BamS“-Slogan bekannt, passierte der Eklat um Nationaltorhüter Oliver Kahn. Die falsche Berichterstattung basierte auf Fotos, die ein Fotograf mit falschen Angaben versehen und der „Bild am Sonntag“ untergejubelt hatte. Seither werden Sie als der „Rums-Bums- Chefredakteur“ bezeichnet.

Das gehört zum Geschäft. Wer hart kritisiert, wird hart kritisiert. „Bild am Sonntag“ ist eine Boulevardzeitung. Wir machen große, laute Schlagzeilen, wir stehen in der Tradition des Marktschreiers, nicht des Chronisten. Mit Oliver Kahn spielen wir seit Jahren ein Spiel im Kahn-Stil, also mit sehr harten Bandagen. Das heißt aber auch: Wer die Regeln verletzt und foult, so wie wir das getan haben, muss sich offen dafür entschuldigen.

Angenommen, die Kahn-Geschichte hätte gestimmt und Sie hätten dokumentieren können, wann er mit welcher Frau wo die Nacht verbracht hat: Nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hätten Sie die Geschichte grundsätzlich nicht bringen dürfen. Sie verletzt die Privatsphäre.

Unser Grundsatz heißt: Wer uns einmal eingeladen hat, kann sich dann nicht beschweren, dass wir da sind. Über Prominente, die sehr viel dazu beigetragen haben, dass man sich für ihr Privatleben interessiert, kann man in jedem Fall berichten, natürlich unter Einhaltung rechtlicher und journalistischer Grenzen. Oberstes Gebot dabei: Die Berichte müssen stimmen. Im Fall Kahn ist uns das Schlimmste passiert, was ich mir als Journalist vorstellen kann: Es hat nicht gestimmt. Bei dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte frage ich mich allerdings, ob es wirklich kein wichtigeres Menschenrecht zu schützen gibt als die Privatsphäre von Prinzessin Caroline …

… auf deren Klage das Urteil basiert.

Als Nächstes beruft sich auf dieses Urteil ein Politiker, der sich unter dem Deckmäntelchen des Privatlebens zu Hause zu Verabredungen trifft, die durchaus von öffentlichem Interesse sind. Unsere Leser können sich aber sicher sein: Wir werden uns nicht vertreiben lassen.

Im Gegensatz zur „Bild“, die gern mit den neuesten Intimitäten unter C- und D- Klasse-Promis niedere Instinkte bedient, scheinen Sie eine andere Art von Prominenten-Berichten zu bevorzugen. Welche?

Ich teile Ihre Beobachtung nicht, dass es hier grundsätzliche Unterschiede zwischen „Bild“ und „BamS“ gibt. Ich persönlich finde aber Menschen dann besonders interessant, wenn sie prominent geworden sind, weil sie wirklich etwas können.

Wenn so jemand nicht mit „Bild am Sonntag“ reden will, dann kümmern Sie sich, wie in letzter Zeit öfter geschehen, persönlich um gute Kontakte zu Prominenten?

Ja, sicher. Es gehört auch zu meiner Aufgabe, Kontakte herzustellen und Kontakt zu halten.

Wozu gibt es dann den Unterhaltungschef Martin Heidemanns?

Ich verstehe diese Frage nicht. Da könnten Sie auch einen Vorstandsvorsitzenden fragen, warum es Vorstände für jeden Fachbereich gibt.

Das Gespräch führte Ulrike Simon.

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