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Medien: Western von gestern

Wie ein klägliches Waschweib stand er da, der gerade noch bis an die Zähne bewaffnete Bandit. „Die Peitsche“ hatte im heimischen Keller zugeschlagen und den kleinen Bruder entwaffnet.

Wie ein klägliches Waschweib stand er da, der gerade noch bis an die Zähne bewaffnete Bandit. „Die Peitsche“ hatte im heimischen Keller zugeschlagen und den kleinen Bruder entwaffnet. Und Mutter war wieder mal zornig. Das war sie auch, als wir damit anfingen, unsere Holzgewehre im Gitarrenkasten zu tragen. Oder als Don Diego de la Vega alias Zorro den Entrechteten (meistens dem kleinen Nachbarmädchen) beizustehen. Oder als Jesse James mit den letzten trockenen Patronen im Mund auf der Flucht vor dem Sheriff aus der Seitenstraße durch den Dorfbach zu schwimmen. Mutter konnte sich einfach nicht erklären, wie wir auf solche Ideen kamen. Wie auch, war sie doch freitagabends bei der Damen-Gymnastik. Immer genau zu der Zeit, als uns die „Western von gestern“ im ZDF-Vorabendprogramm an die Mattscheibe fesselten.

Der schwarz-weiße Charme des Gut gegen Böse und die unsägliche Cliffhanger- Spannung machten den Reiz der Kurzwestern aus – nicht zu vergessen unsere unschlagbaren Lieblings-Revolverhelden, die oft genug Fäuste und Lassos erfolgreich gegen blaue Bohnen einsetzten. Die großen Cowboys wie John Wayne, Fuzzy und vor allem Strahlemann Roy Rogers, der Popstar unter den Westernhelden, der selbst nach den wildesten Verfolgungsjagden eine weiße Weste und einen unbeschädigten Hut behielt. Typen wie er perfektionierten das Postkutschen-Besteigen-und-Entern. Heute wäre er wohl ein freakiger S-Bahn-Surfer.

„Die Peitsche“ war mein Lieblingsheld – wie lässig konnte dieser schwarz maskierte Ersatz-Zorro doch jeden Gegner mit seiner Peitsche entwaffnen und bis auf die Unterwäsche ausziehen. Er ist schuld an meiner Faszination für die alten Cowboys. Diese B-Western der 30er und 40er Jahre, eigentlich als Vorprogramm für die großen, abendfüllenden Kinofilme gedreht, waren für mich ein Wegbereiter für die Liebe zu „Winchester 73“, „Die glorreichen Sieben“ und „Spiel mir das Lied vom Tod". Jedes Mal, wenn im Abspann zur Serie die Mattscheibe zerschossen wurde, freuten wir gestrigen Western-Fans uns auf den nächsten Freitag. Und der kleine Bruder sich ängstlich hinterm Sofa verkroch.

Robert Bongen

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