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Nach dem Anschlag gab es eine Welle der Solidarität, auch von Staatspräsident Hollande. 4,2 Millionen Euro gingen als Spenden an „Charlie Hebdo“ ein.

© Yoan Valat/Reuters

Wie geht es "Charlie Hebdo"?: Das Leben danach

Beim Satiremagazin „Charlie Hebdo“ wird heftig ums Erbe gestritten. Eine Frage, auf die die Redaktion eine Antwort finden muss, ist die, wem die Zeitung künftig gehören soll.

Noch nie hatte „Charlie Hebdo“ so wenig Geldsorgen. Vor dem Anschlag islamistischer Terroristen, bei dem am 7. Januar neun Redakteure und Zeichner, ein außenstehender Mitarbeiter und zwei Polizisten ums Leben kamen, stand die Redaktion der Pariser Satire-Zeitung finanziell am Abgrund. Um Schulden von 200 000 Euro zu bezahlen, hatte sie sich noch Ende vergangenen Jahres in einem Spendenaufruf an Leser und Sponsoren gewandt. Drei Monate nach dem Drama, das Frankreich und die Welt erschütterte, hat „Charlie Hebdo“ auf seinen Konten ein Guthaben von etwa 30 Millionen Euro. Keine andere französische Zeitung verfügt über solch ein finanzielles Polster.

Der plötzliche Reichtum ist der Niederschlag der unvergleichlichen Welle von Sympathie und Solidarität, deren sich das Blatt auch bei Menschen erfreute, die es selten in die Hand nahmen. 4,2 Millionen Euro gingen von Privatleuten und Unternehmen, darunter die britische Zeitung „The Guardian“ oder das Internet-Unternehmen Google, als Spenden ein. Weitere Millionen spülten die gestiegene Zahl der Abonnements und die große Nachfrage nach „Charlie“ im Einzelverkauf in die Kassen.

Waren es vor dem Attentat 10 000 Abonnenten und belief sich die insgesamt verkaufte Auflage auf nicht mehr als wöchentlich 30 000 Exemplare, so waren es danach 220 000 Leser, die „Charlie“ abonnierten. Die historische erste Ausgabe nach dem blutigen 7. Januar mit der Karikatur des weinenden Mohammed wurde in über sieben Millionen Exemplaren verkauft, die höchste Auflage, die eine Zeitung in Frankreich jemals erreichte. Die folgende „Charlie“-Ausgabe vom 25. Februar kam dann nur noch mit 2,5 Millionen Exemplaren heraus. Seitdem sinkt die Auflage weiter. „Das geht alles wieder zurück“, sagt ein Pariser Zeitungshändler mit Blick auf den Stapel unverkaufter Blätter neben dem Ladentisch.

Unwillen in der Direktion

Das Interesse an „Charlie“ wird weiter nachlassen, „aber wir werden auf Jahre hinaus keine finanziellen Probleme haben“, sagt Jean-Baptiste Thoret, ein Redakteur, der am 7. Januar verspätet zur Redaktionskonferenz kam und dem Attentat entging. Doch die Zeitung müsse jetzt über ihr internes Statut und ihre weitere Entwicklung nachdenken. Eine Frage, auf die die Redaktion eine Antwort finden muss, ist die, wem die Zeitung künftig gehören soll. Darüber ist eine heftige Debatte entbrannt.

Auslöser ist eine Mail, die der Journalist Laurent Léger an die Redaktionskonferenz richtete. Darin fordern er und zehn andere Redakteure und Zeichner Verhandlungen über die Umwandlung der Eigentumsverhältnisse. „Charlie“ solle zu gleichen Teilen allen angestellten Mitarbeitern gehören. Bisher werden 40 Prozent der Kapitalanteile von Familienangehörigen des bei dem Attentat ermordeten Chefredakteurs Charb, weitere 40 Prozent von dem Zeichner und neuem Herausgeber Riss und die restlichen 20 Prozent von Eric Portheault, dem Geschäftsführer des Blattes, gehalten.

Der Vorstoß hat bei der Direktion Unwillen hervorgerufen. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Mitarbeiter stärker am Leben der Zeitung beteiligt sein wollen“, erklärte ein Anwalt der Zeitung. Von einem Nachdenken über eine neue Struktur des Aktionärskreises sei man weit entfernt. „Das ähnelt einer Beerdigung, bei der die Trauernden sich am Grab des Verstorbenen um das Erbe streiten.“

Eine Entscheidung darüber, wie das Geld verwendet werden soll, ist nicht in Sicht. Neben den Familien der Opfer, in deren Kreis auch die Hinterbliebenen und Verletzten des Attentats vom 9. Januar auf den jüdischen Supermarkt einbezogen werden sollen, wird an die Gründung einer Stiftung zur Förderung der Pressezeichnung gedacht. Ein weiterer Teil soll in die Entwicklung der Zeitung investiert werden. Für die Aktionäre sei nichts vorgesehen.

Das Geld interessiere sie persönlich gar nicht, wies „Charlie“-Redakteur Léger Vorwürfe zurück. „Wir wollen nur eine Kontrolle darüber, wohin es geht.“ Er und seine Kollegen wollen damit verhindern, dass es wieder so zugeht wie 2007. Damals hatte „Charlie Hebdo“ nach einem Brandanschlag auf die Redaktion mit einer in 500 000 Exemplaren gedruckten Sonderausgabe, Titel: „Es ist hart, von Idioten geliebt zu werden“, rund eine Million Euro eingenommen. Von dem Geld hatten sich der damalige Redaktionsdirektor Philippe Val und der Zeichner Cabu, der am 7. Januar ermordet wurde, je 300 000 Euro reserviert. Die Redaktion ging leer aus. Erfahren hatte sie davon erst einige Zeit später aus einem Artikel in „Le Monde“.

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