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Medien: Wie hältst Du’s mit der RAF?

100 Interviewanfragen: Ins Fernsehen will Ex-Terroristin Mohnhaupt aber nicht

Eigentlich soll sich Brigitte Mohnhaupt am 27. März fühlen wie ein freier Mensch. Dieser Tag ist das offizielle Entlassungsdatum der Ex-Terroristin, die 1985 wegen ihrer Beteiligung an den Morden der RAF zu fünfmal „lebenslänglich“ und 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Sobald Mohnhaupt nach Verbüßung der Mindesthaftzeit von 24 Jahren auf Bewährung freikommen wird, ist das Wettrennen um sie eröffnet. Kamerateams, Fotografen und Journalisten werden um die ersten Bilder von ihr kämpfen. Schon jetzt konkurrieren die Talkshows darum: Wer gewinnt Mohnhaupt als Erstes für einen Auftritt? Ihr Anwalt Franz Schwinghammer sagt: „Bei mir stapeln sich um die 100 Anfragen von Medien aus dem In- und Ausland.“

Doch keines der deutschen Talkformate und Printmedien will bestätigen, einen solchen Brief an die Regensburger Kanzlei geschickt zu haben. „Wir haben nicht geplant, Frau Mohnhaupt einzuladen“, sagt Markus Heidemanns, Redaktionsleiter bei „Kerner“. Und widerspricht damit dem Anwalt, der eine entsprechende Anfrage vom ZDF-Talker auf dem Schreibtisch haben will. Weitere Namen gibt Schwinghammer nicht preis.

Die Chefredaktionen von „Spiegel“, „Stern“ und „Bild“ wollen sich auf Anfrage nicht äußern. Auch die Fernsehsender zeigen sich bedeckt. „Sicher ist eine Person wie Brigitte Mohnhaupt von Interesse, aber wir haben bisher noch nichts Konkretes geplant“, sagt Thorsten Pütsch, Sprecher des Nachrichtensenders N24. Andere Formate haben sich bereits gegen eine Einladung entschieden. Die Redaktion von Talkfrau Sabine Christiansen hat „intern heftig über ein Interview mit Mohnhaupt diskutiert“, sagt Sprecher Michael Ortmanns. Letztendlich habe sich die Redaktion gegen ein solches Format entschieden. Auch „Beckmann“ lehnt ab: „Wir können uns nicht vorstellen, dass Brigitte Mohnhaupt zu einem kritischen Gespräch über ihr Leben und ihre Taten bereit ist. Alles andere ist für die Angehörigen der Opfer unzumutbar“, sagt Redaktionsleiter Olaf Köhne.

Die Frage nach der Reue ist für viele Sender der entscheidende Punkt. Wie heikel sie ist, zeigte das Gespräch zwischen dem früheren RAF-Terroristen Christian Klar und dem Journalisten Günter Gaus, das im Dezember 2001 im ORB-Fernsehen ausgestrahlt wurde. „Ich überlasse der anderen Seite ihre Gefühle und respektiere ihre Gefühle, aber ich mache sie mir nicht zu eigen“, sagte Klar damals in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. Heute ärgere er sich über seine unsensiblen Antworten, berichtet der „Spiegel“.

Ob sich Mohnhaupt öffentlich zu ihren Taten äußern wird, ist fraglich. Bisher hat es von ihr weder ein öffentliches Schuldbekenntnis noch eine Entschuldigung gegenüber den Terror-Opfern und ihren Hinterbliebenen gegeben. Doch darauf wollen die Sender, die sich für ein Gespräch mit der früheren Terroristin interessieren, nicht verzichten. Die Berücksichtigung der Opferseite machen sie zur Bedingung für eine Einladung. „Nur dann können wir uns ein Interview mit Frau Mohnhaupt vorstellen“, sagt Volker Wasmuth, Chefredakteur von n-tv. Ein solches Gespräch müsse zudem eingerahmt werden, beispielsweise in eine Sondersendung zum Thema „Deutscher Herbst und was von ihm übrig geblieben ist“.

Ähnlich äußert sich auch Frank Plasberg, Moderator des WDR-Talks „Hart aber fair“. Die Entscheidung, Frau Mohnhaupt einzuladen, hänge maßgeblich davon ab, wie sie sich in der Öffentlichkeit verhalte und wie sie sich ihrer eigenen Vergangenheit stelle.

Markus Krischer, Redakteur beim Magazin „Focus“, sieht ein solch öffentliches Schuldbekenntnis im Fernsehen skeptisch. „Eine einfache Entschuldigung reicht nicht aus, denn sie steht disparat zu Mohnhaupts Taten“, sagt er. Die öffentliche Reue sei auch nicht das, was die Angehörigen sich wünschen. Sie wollen Aufklärung, sagt er. Denn bis heute ist nicht bekannt, wer in der RAF welche Taten konkret begangen hat. „Wenn Frau Mohnhaupt dies aufklärt, wäre das der größte Schritt, den sie machen kann“, sagt Krischer. Dass sie so weit geht, glaubt er nicht. „Aufklärung gilt als Todsünde bei den meisten der früheren RAF-Mitglieder“. Dennoch hätte Krischer Interesse, ein solches Gespräch mit Mohnhaupt für den „Focus“ zu führen.

Doch seine Chancen darauf dürften ebenso gering sein wie die Erfolgsaussichten von Anfragen aus den Talkshow-Redaktionen. „Frau Mohnhaupt will anonym bleiben“, sagt Anwalt Schwinghammer. „Denn sie kommt bestimmt nicht aus dem Knast, um der Welt sofort etwas zu verkünden.“ Nach 24 Jahren Haft müsse seine Mandantin zunächst einmal lernen, die Umwelt wieder zu begreifen. Vor allem müsse ihre Sicherheit garantiert werden, denn neben den Interview-Anfragen seien Morddrohungen gegen die Ex-Terroristin eingegangen. Dennoch will Schwinghammer ein öffentliches Statement von Mohnhaupt nicht ausschließen. „Sie ist sich bewusst, dass sie in der Verantwortung für die damalige Zeit steht“, sagt der Anwalt. Bislang gebe es jedoch noch keine konkreten Überlegungen, wie und wann sie sich äußern werde. „Aber wenn, dann sicher nicht im Fernsehen. Es muss ein Medium sein, das über den Tag hinausgeht.“

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