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Medien: Wie man ein besserer Mensch wird

Kristiane Backer war die Patin des Pop. Jetzt, als Muslimin, möchte sie den Deutschen den Islam erklären

Von Barbara Nolte

Elf Jahre ist es her, Kristiane Backer moderierte auf MTV, als erste und bis dahin einzige Deutsche. Alle drei Wochen flog sie von London, wo sie damals wohnte, wo sie heute noch wohnt, nach Hamburg zu „Bravo TV“. Ihr Job dort: Charts ansagen, Musikern im Studio ein paar Fragen stellen und schließlich überleiten zu den Aufklärungsexperten des Doktor-SommerTeams.

Es war im April dieses stressigen, erfolgreichen Jahres 1995, als Kristiane Backer in eine Moschee im Londoner Norden ging. Diesmal stellte sie einem Imam noch ein paar Fragen. Dann sagte sie: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Botschafter.“ Ein einfacher, weitreichender Satz. Das Glaubensbekenntnis des Islam. Kristiane Backer, Deutschlands Patin des Pop, war Muslimin geworden. „Danach bin ich nach Hause gegangen und habe gebetet“, erzählt sie, „es war ganz unspektakulär.“ Der unspektakuläre Anfang eines Weltenwechsels.

Er ist ja nicht selten zu beobachten, der Hang des Personals der Unterhaltungsindustrie zur Religion. Madonna hat sich der Kabbala-Lehre verschrieben, Tom Cruise der Scientology-Sekte, Richard Gere, Penelope Cruz, Uma Thurman und unzählige andere sind Buddhisten geworden. Als prominenter Moslem fällt einem aber nur Cat Stevens ein, der sich jetzt Yusuf Islam nennt. Und Muhammad Ali natürlich, einstmals Cassius Clay. Doch der Boxer konvertierte Ende der 60er, da war die muslimische Religion Teil der schwarzen Bürgerbewegung in den USA. Zurzeit ist der Islam unter Stars wenig beliebt, schon weil man ihn nicht einfach nebenher betreiben kann wie ein Hobby.

Kristiane Backer hatte ihren Gebetsteppich im Reisegepäck, als sie vergangene Woche nach Berlin gekommen ist. Man trifft sie am Montagvormittag im Frühstücksraum des Hotels Adrema in Berlin- Moabit. Sie wartet schon, freundlich lächelnd, eine Schale mit Ananasstückchen in der Hand. Sie trägt eine enge Jeans, kein Kopftuch. Mit einem Kopftuch, sagt sie, würde sie womöglich Aufmerksamkeit erregen, und das sei nicht im Sinne des Islam. Ohne aber dreht sich tatsächlich keiner nach ihr um. Dabei hat sie sich, mittlerweile 40 Jahre, kaum verändert: dieselbe glatte Langhaarfrisur, die großen brauen Augen. Doch von ihrer früheren Prominenz ist nur eine vage Gesichtsbekanntheit geblieben. Eine hübsche Frau, von der man aber nicht mehr weiß, ob sie mal im Fernsehen war oder doch in der Parallelklasse.

Kristiane Backer trägt ihr Ananasschälchen auf die Terrasse und sagt: „Mein Glaube ist für mich wie ein Boot, welches mich durch die teilweise turbulente See sicher ans andere Ufer, ins nächste Leben, bringt“, sagt sie. Ihre Wortwahl lässt keinen Zweifel daran, wie fern ihr MTV mittlerweile steht. Sie schaut es höchstens noch vom Stepmaster im Fitness-Studio.

Natürlich war man mit einer Erklärung für die religiöse Wandlung der Kristiane B. ins Hotel Adrema gekommen. Sie liegt auf der Hand und geht so: Die libertinäre Welt des Pop ist schuld, weshalb eine ihrer Protagonisten zum Gegenentwurf überlief. Kristiane Backer widerspricht: Nie sei sie ein typisches Pop-Groupie gewesen. Immer schon ernster als die Kollegen, eine Einserschülerin. Tatsächlich strahlte sie auch auf MTV diese HöhereTochter-Aura aus, die an Claudia Schiffer erinnerte. Schon damals missfiel ihr die Oberflächlichkeit des Musikfernsehgeschäfts. „Der Golfkrieg brach aus, und wir mussten über Kylie Minogues neues Outfit reden. Es war ein bisschen so: Gehirn zu Hause lassen, nur Spaß verkaufen bei der Arbeit.“ Als Ausgleich belegte sie Abendkurse. Freunde haben ihr damals erste Bücher über den Islam empfohlen. „Ich war Protestantin, aber die Kirche hat an mir vorbeigepredigt“, erzählt sie, „im Islam werden die spirituellen Instruktionen klar beschrieben: wie man sich Gott nähert, ein besserer Mensch wird.“

Nur sind diese Instruktionen für Westler nicht so leicht umzusetzen. Ihren ersten Fastenversuch brach sie nach einem halben Tag ab. „Damals hatte ich am Vorabend noch Alkohol getrunken. Ich hatte einen Kater und Kopfschmerzen. Um drei Uhr sagte ich mir: Das ist nichts für mich.“ Im nächsten Ramadan schaffte sie es. Doch es kamen neue Prüfungen: Sie verlor ihre MTV-Sendungen und „Bravo- TV“. Zeitungen brachten das damals in den Zusammenhang mit Gerüchten über ihre Nähe zum Islam. Beweise dafür gibt es keine. Andere Musikfernseh-Moderatoren wie Nils Bokelberg oder Sophie Rosentreter wurden trotz religiöser Unauffälligkeit ausgemustert. Es ist eine unbeständige Branche.

Kristiane Backer hat in ihrer neuen freien Zeit eine Ausbildung zur Heilpraktikerin gemacht und den Islam immer weiter studiert. Sie war auf dem Weg zu einem Kurs über eine Koran-Sure, als muslimische Extremisten im Juli vergangenen Jahres in der Londoner U-Bahn Bomben hochgehen ließen. „Als Muslimin war ich über die Anschläge besonders entsetzt“, sagt sie. „Der Prophet sagte: ,Die Tinte eines Gelehrten ist unendlich viel wertvoller als das Blut eines Märtyrers.’ Das heißt: Medienarbeit ist gefragt, anstatt Bomben zu legen.“

Darin steckt eine neue Jobperspektive für sie: Kristiane Backer möchte den Deutschen den Islam erklären. Am Sonntag vergangener Woche hat sie das erste deutsch-muslimische Kulturfestival der Stadt, Insaan, moderiert. Diesmal hat sie den Job bekommen, weil sie Muslimin ist. Und man kann sie sich in einer Talkshow-Karriere gut vorstellen. Eine junge, hübsche Frau mit einer persönlich gefärbten Geschichte ist gesucht, um die Männerrunden mit ihren politischen Formeln aufzulockern. „In Deutschland“, sagt sie, „muss sich noch eine Menge tun. In London kann jeder glauben, was er möchte und wird dafür respektiert.“ Selbst die Anschläge hätten das tolerante Klima nicht stark verändert. „Im Koran steht: Wenn Gott gewollt hätte, hätte er euch zu einem einzigen Volk gemacht. Er hat euch aber verschieden geschaffen, um euch zu prüfen und zu erkennen, was ihr aus euch offenbarten Glaubensrichtungen macht. Wetteifert miteinander, gute Werke zu vollbringen.“ Immer wieder zitiert sie aus dem Koran. Da kommt die Einserschülerin durch: Sie nimmt ihre Islamstudien so ernst wie früher die Schule.

Im Winter ging sie sogar auf Pilgerfahrt nach Mekka. „Ich habe viel gebetet, dass Gott mir einen Ehemann schickt. Wie durch ein Wunder: Gott hat meine Gebete erhört.“ Im Frühjahr war Hochzeit.

Ihr Mann ist später noch an den Tisch des Hotels Adrema gekommen. An Kristiane Backers Moderatorenjob beim Insaan-Festival haben die beiden einen Kurzurlaub drangehängt. Er ist ein gebürtiger Marokkaner, sehr freundlich. Sie stellt ihn vor: „Er ist Fernsehjournalist, ein Star in der arabischen Welt. Und er ist ein Nachfahre des Propheten, was in der muslimischen Welt etwas sehr Besonderes ist.“ Es verwundert ein bisschen, mit wie vielen Statusetiketten sie ihn versieht, obwohl sie doch allen Oberflächlichkeiten abgeschworen hat. Sie wirkt ernsthaft begeistert. Ihr steiniger Weg in den Islam hat ein Happy End: Die höhere Tochter hat ihren Märchenprinzen bekommen.

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