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Medien: Wie spielt man ein Genie?

Jung-melancholisch: Mit Matthias Schweighöfer als Dichter starten Schiller-Festspiele im Fernsehen

Drei Jahre im Leben des jungen Friedrich Schiller. Eben hat der kommende Klassiker beschlossen, alle Brücken in seine alte Existenz abzubrechen und hauptberuflicher Dichter zu werden. Er folgt einem Ruf der Götter und Musen. Nicht nur spannende Theaterstücke und klingende Gedichte will er schreiben, sondern mit seiner Kunst die Menschen bessern. Der Freiheit eine Bresche schlagen. Die Welt verändern. Der junge Schiller, wie er schillernder nicht gedacht werden kann. Martin Weinhart (Buch und Regie) und Hendrik Hölzemann (Buch) haben ihre Filmgeschichte aus Details der Dichter-Biografie zusammenkomponiert. Aus dem unsteten Wanderleben des frühen Schiller haben sie die zündendsten Anekdoten gesammelt und zu einer Handlung arrangiert.

Der Film beginnt mit dem Uraufführungsskandal der „Räuber“ am Theater in Mannheim. Der junge Militärarzt flieht aus Stuttgart, um künftig als Dichter zu leben. Arm und krank haust er in der Dachkammer eines Mannheimer Wirtshauses, schreibt aber in dieser Zeit mit „Kabale und Liebe“ das wohl berühmteste bürgerliche Trauerspiel der Deutschen. Drei Jahre bleibt Schiller als dramatischer Autor in Mannheim, eng verbunden mit dem Hoftheater, in dem der später so berühmte Iffland seine ersten Glanzrollen spielt. Schiller erlebt erste Niederlagen und Erfolge, die künstlerische Arbeit stürzt ihn in Anspannung und Raserei, Erlösung gewährt nur das gelungene Werk.

Das Schiller-Jubiläum im Fernsehen. Vorher hieß es, man wolle den Dichterfürsten von seinem Sockel holen. Den ganzen Menschen hinter dem Klassiker zeigen. Zeitgeistsprüche aus der Marketingabteilung, die eher Befürchtungen wecken. Aber bei Weinhart und Hölzemann ist Schiller in den besten Händen. Die Beiden scheinen ja selbst zwei idealistische Feuerköpfe zu sein, die die Routinen der massenmedialen Erinnerungsarbeit beiseite fegen, ohne gleich den Betrieb in Schutt und Asche legen zu wollen. Ihr Film ist opulent, pathetisch, sentimental und folglich mainstreamtauglich. Er ist trotzdem wunderbar klug, leicht und verspielt, dramatisch und ergreifend.

Matthias Schweighöfer ist Schiller. Jung, rothaarig, im schlampigen Mantel. Mit heftig fließenden, explosiven Gesten. Wie spielt man ein Genie? Schweighöfer zeigt jugendlichen Überschwang und zugleich eine Art altersweise Melancholie. Klarheit, Disziplin, Energie und weltfremden Ego-Taumel in einem.

Sein junger Schiller hat noch vieles vor sich und scheint trotzdem zu wissen, dass er alles Kommende dem Schmerz wird abringen müssen. Ein offener, freundlicher Mensch, der am Leben der anderen seltsam flüchtig teilnimmt. Keine Zeit für Intrigen und Banalität. Schiller ahnt, dass er nicht alt werden wird. Es ist ihm egal. Kann ein Mensch wirklich für die Unsterblichkeit seines Werkes leben? Der Film hat den Mut, das zu behaupten.

Ein Reigen höchst interessanter Frauen um diesen Schiller: Barbara Auer als pockennarbige Grande Dame des Hoftheaters, tragisch auf kluge, ironische Weise. Teresa Weißbach als liebende Jungschauspielerin, eine bürgerliche Heldin wie aus dem Bilderbuch. Robert Dölle spielt den Iffland als intriganten Sunnyboy, der den Höhenflug seines Rivalen Schiller mit Neid, aber auch mit Verständnis und Bewunderung sehen kann. Man könnte sie alle nennen. Keine Figur, die hier durch eindimensionale Charakterklischees beschädigt wird.

Das Drehbuch von Weinhart und Hölzemann steckt voller brillanter szenischer Miniaturen, poetischer Erfindungen, psychologisch erhellender Kammerspieleffekte. Die Inszenierung lässt Freunde des Kostümfilms und der historischen Originalschauplätze auf ihre Kosten kommen. Wer Erotik und großes Gefühl sehen möchte, wird bestens bedient. Sogar für ironisches Understatement ist manchmal Platz.

Mit diesem „Schiller“ erfüllt das öffentlich-rechtliche Fernsehen seinen volkspädagogischen Auftrag zum Jubiläumsjahr bravourös. Man möchte nun gleich alles von diesem deutschen Klassiker lesen, dessen Originalsätze Matthias Schweighöfer an etlichen Stellen so leicht von den Lippen fließen. Oder wenigstens auch ein irgendwie feurigerer Mensch werden.

„Schiller“: Arte, 20 Uhr 40

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