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Medien: Wieder eine Wut

Harald Schmidt übt im „Satire Gipfel“ schon mal für „Harald Schmidt“

Alles hängt mit allem zusammen, sogar beim Fernsehen. Als ich vor drei Wochen eine positive Kritik zu dem neuen Comedy-Format „heute-show“ im ZDF geschrieben habe, erwähnte ich in einem Nebensatz, dass mir die Satiresendung „Neues aus der Anstalt“ nicht so gut gefällt – und machte mich mit der Aussage für manche unmöglich. Das stellte ich fest an den Leserzuschriften. Einige sahen in mir sogar einen Verehrer der Witzfigur Oliver Pocher, was allerdings nicht sein kann, weil ich mindestens die Hälfte meines Wirkens darauf verwende, kein gutes Haar an den Mann ranzulassen. Das kann ich sogar beweisen! Aber um meine Reputation wieder herzustellen, schaute ich mir Donnerstagabend den so- genannten „Satire Gipfel“ der ARD an.

Diese Sendung läuft zum vierten Mal. Sie stand schon vorher in der Kritik. Sie ist der Nachfolger des „Scheibenwischer“. Dessen Erfinder Dieter Hildebrandt sah durch die Kaspereien von Mathias Richling, dem Chef des „Satire Gipfel“, sein Erbe in Gefahr. Satire und Comedy, das ginge nicht zusammen. In Zukunft schaue man halt nur noch „Neues aus der Anstalt“. Nun war aber Harald Schmidt Gast der Sendung, über den ich nie ein schlechtes Wort geschrieben habe, der Oliver Pocher nicht mehr aushielt – und der bei der Pressekonferenz zum „Satire Gipfel“, befragt nach der Zukunft seiner Show, sagte, das die so ein bisschen wie die „heute-show“ im ZDF sein werde.

Nachdem nun all das geklärt ist, und sich jeder selbst seinen persönlichen Lieblingsfeind in dieser Geschichte aussuchen kann, muss die Frage geklärt werden, wie denn die Sendung war. Na ja, sie war nicht schlecht, sie war nicht gut. Man muss wohl froh sein, dass man die nicht zusammen mit Dieter Hildebrandt geschaut hat. Der hätte sich wahrscheinlich aufgeregt über die Eröffnung von Mathias Richling, den man schlecht versteht, der zu hibbelig ist. Was aber wenigstens ein bisschen amüsant ist, denn das, was er erzählt über Obama, die SPD und die Europawahlen, das wäre normal ausgesprochen ziemlich platt. Und dann kommt Schmidt, der mit Bart und geschnittenen Haaren fantastisch aussieht. Er liefert sich einen Dialog mit Richling, der auch nicht richtig lustig ist. Man merkt aber Schmidt den gelernten Kabarettisten an. Er redet schnell, exakt, versucht sich im Zusammenspiel mit Richling, dem man anmerkt, dass er ein Solist ist. Mit dieser Situation ist er überfordert. Überfordert scheinen auch die Kulissenbauer zu sein. Irgendwie erinnert das, was im Hintergrund herumsteht, an alte „Wetten, dass…?“-Kulissen. Was das angeht, spielt „Neues aus der Anstalt“ ja tatsächlich in einer ganz anderen Liga.

In einer ganz anderen Liga spielt auch H.G. Butzko – in der Kreisklasse. Seine fünf Minuten sind der Tiefpunkt der Sendung. Das ist weder lustig noch klug. Das ist der Hass des Spießbürgers, den er über seinen Gartenzaun mit seinem Nachbarn teilt. Butzko gießt einen Eimer Gülle über Europa, die Wahlen, die Politiker. Das wirkt klein und hässlich. Dann lieber gar keine Witze erzählen. So wie Hagen Rether, der sich ans Klavier setzt, Oskar Lafontaine lobt und seine rhetorische Sternstunde mit dem Satz feiert: „Westerwelle ist die Bauchrednerpuppe der Konzerne.“ Richlings nächstes Solo macht es auch nicht besser. Aber dann kommt einer, der aussieht wie der zu früh verstorbene US-Komiker John Belushi an einem ganz schlechten Tag. Der Mann heißt Matthias Egersdörfer und rettet den Abend. So gut, so absurd erzählt er von dem Kaufhaus seiner Kindheit und von Karstadt. Obwohl Schmidt danach einen Vorgeschmack lieferte auf das, was uns ab Herbst erwartet, wenn er wieder alleine sendet, wenn er „politischer“ wird. Schmidt sprach über Franz Müntefering, wechselte zum Kita-Streik und redete über den normalen deutschen Wahnsinn. Das war gut und groß und hart. Plötzlich hatte Schmidt wieder eine Wut. Diese Wut hatte Kraft, und diese Kraft sah man lange nicht mehr bei dem Mann. Man kann sich nur wünschen, dass diese Kraft anhält. Nachdem sich die politischen Talkshows in der vergangenen Woche vom ernstzunehmenden Diskurs verabschiedet haben – und von den Zuschauern, die im Fernsehen Aufklärung und Information erwarten –, brauchen wir diese Form der Situationskritik vielleicht mehr denn je. Und am Ende – auch wenn vieles nicht lustig war – ist das Niveau des „Satire Gipfels“ höher und der Erkenntnisgewinn größer als Will, Illner und Plasberg zusammen, auch wenn die Quote dieser Ausgabe mit 1,39 Millionen Zuschauern (10,4 Prozent Marktanteil) etwas unter Schnitt lag. Man muss das nicht alles lustig finden, aber der denkende, informierte Mensch wird vorausgesetzt, also ernst genommen. Das ist so selten geworden im deutschen Fernsehen. Das ist das Entscheidende.

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