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Wie viele Welten gibt es? Professor Henry Vollmer (Adrian Hooven) ist unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Irgend etwas soll geheim gehalten werden. Foto: Arte

© Rainer Werner Fassbinder Found

Wiedersehen: Visionärer Fassbinder

Wie viele Welten gibt es? Arte beginnt mit dem Zweiteiler „Welt am Draht“ eine Filmreihe zum 30. Todestag des Regisseurs.

Identitätseinheit 001, genannt Einstein (Gottfried John), läuft aus dem Ruder. Er will sich nicht mehr damit zufriedengeben, in der von Menschen geschaffenen virtuellen Welt zu leben. Er sehnt sich nach einer „echten“ Existenz, aber auch für die ganz und gar realen Menschen verschwimmen die Grenzen. Den neuen Projektleiter Fred Stiller (Klaus Löwitsch) treibt ein seltsames Phänomen um: Sicherheitschef Günther Lause (Ivan Desny), mit dem er eben noch auf einer Party plauderte, ist plötzlich verschwunden – und niemand will ihn je gekannt haben. Und als sich Stiller zu einem Besuch in die virtuelle Welt seines Computerprogramms Simulacron 1 transferieren lässt, läuft ihm dort Lause über den Weg.

Angesichts der Entwicklung der Computertechnologie, von „Second Life“ und anderer Erscheinungsformen künstlicher Welten in virtuellen Spielen war das visionäres Fernsehen, was da im Jahr 1973 in einem WDR-Zweiteiler über die Bildschirme flimmerte: „Welt am Draht“ von Rainer Werner Fassbinder, basierend auf dem Roman „Simulacron-3“ des amerikanischen Science-Fiction-Autors Daniel F. Galouye, der 1999 von Josef Rusnak in „The 13th Floor“ hollywoodtauglich ein zweites Mal verfilmt wurde. Bei Fassbinder führte Michael Ballhaus die Kamera durch eine zeitlos anmutende Kulisse voller Spiegel und Glasflächen, die das 200 Minuten lange philosophische Spiel reflektierte: Wie viele Welten gibt es? Was ist „echter“, die scheinbar reale Welt oder die reale Schein-Welt?

Dass sich Menschen darin heillos verheddern können, ist heute erwiesen. Nebenbei bietet „Welt am Draht“ ein amüsantes Wiedersehen mit einer ganzen Reihe von (Fassbinder)-Stars, etwa mit Barbara Valentin, Karl-Heinz Vosgerau, Ingrid Caven, Günter Lamprecht, Kurt Raab und Margit Carstensen – ein tolles Stück deutscher Film- und Fernsehgeschichte.

Die restaurierte Fassung des Zweiteilers, die bei der Berlinale 2010 erstmals gezeigt wurde und auch auf DVD und Blu-ray erschienen ist, eröffnet als Fernsehpremiere die 13-teilige Arte-Reihe zum Todestag des am 10. Juni 1982 bereits im Alter von 37 Jahren verstorbenen Regisseurs. Sie umfasst auch selten ausgestrahlte frühe Werke wie Fassbinders erste Kurzfilme „Das kleine Chaos“ (11. Juni, 23 Uhr 40) und „Der Stadtstreicher“ (25. Juni, 23 Uhr 55) sowie die Spielfilme „Händler der vier Jahreszeiten“ (11. Juni, 20 Uhr 15) und „Liebe ist kälter als der Tod“ (25. Juni, 22 Uhr 30). Und nachdem 3sat kürzlich mit „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ und „Lola“ Teil zwei und drei von Fassbinders BRD-Trilogie ausgestrahlt hatte, liefert Arte mit „Die Ehe der Maria Braun“ (18. Juni, 20 Uhr 15) nun Teil eins nach.

„Welt am Draht“, Teil 1 und 2, Arte, 20 Uhr 15

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