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Gefragt. William Fichtner, geboren 1956 in Long Island, hat an der American Academy of Dramatic Arts studiert, zuvor hatte er sich zum Kriminalisten ausbilden lassen. Ende der 80er Jahre begann seine Kinokarriere, mittlerweile hat er in mehr als 40 Hollywood-Produktionen mitgespielt, darunter „Heat“, „Armageddon“, „Black Hack Down“, „The Dark Night“. Aktuell ist er in „Elysium“ und „The Lone Ranger“ zu sehen. Im Fernsehen wirkte er unter anderem in den Serien „Prison Break“ und „Entourage“. Aktuell spielt er in „Crossing Lines“ den Ex-NYPD-Cop Carl Hickman (Bild). Demnächst beginnen die Dreharbeiten für die zweite Staffel.

© AFP

William Fichtner über "Crossing Lines": „Hickman ist kompliziert, er ist kaputt“

Hollywoodstar Hollywoodstar William Fichtner über die Sat-1-Serie „Crossing Lines“, Autorennen und Fernsehen versus Kino.

Herr Fichtner, in der international besetzten Serie „Crossing Lines“ bei Sat 1 spielen Sie einen Veteranen des New York City Police Department (NYPD). Eine schöne und befriedigende Erfahrung?

Allerdings, weil da verschiedene Faktoren zusammenkommen. Ich lebe in Kalifornien, jetzt kann ich aber einige Monate im Jahr in dieser großartigen Stadt Prag leben, wo „Crossing Lines“ hauptsächlich gedreht wird. Die Serie basiert auf Drehbüchern, die mich interessiert haben. Und Carl Hickman, Vorzeigeamerikaner und NYPD-Veteran, ist einer meiner besseren Charaktere. Die Entscheidung, in „Crossing Lines“ mitzuspielen, war groß, die Erfahrung ist großartig.

Sie haben gesagt, diese Serie hätte einen europäischen Look. Was meinen Sie damit?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: „CSI: New York“ wird in Los Angeles produziert. Die meisten Produktionen suchen sich doch ihre Drehorte nach der Kostenlogik. Der eigentliche Schauplatz wird dem Publikum dann mehr oder weniger vorgetäuscht. Wenn aber „Crossing Lines“ in Paris spielt, wird in Paris gedreht, spielt eine Episode am Mittelmeer, wird am Mittelmeer gedreht. Die Besonderheit, die Aura eines Ortes überträgt sich auf das Produkt. So wird „Crossing Lines“ zu einer europäischen Serie.

Haben Sie bei Ihren Drehreisen quer durch Europa auch europäisches Fernsehen eingeschaltet?

Ich bin selbst in meiner Heimat, in den Staaten kein großer Fernsehzuschauer. Schalte eigentlich nur ein, wenn ein guter Freund von mir etwas produziert hat oder ein anderer mitgespielt hat. Wird aber ein Autorennen übertragen, dann schaue ich intensiv und gebannt zu. Vor die Alternative gestellt, eine Serie oder Motorsport einzuschalten, wähle ich das Autorennen.

Auch ein Fan der Formel 1?

Unbedingt. Läuft sogar im „Speed Channel“ im amerikanischen Fernsehen.

Der Schauspieler Steve McQueen ist selbst Rennfahrer gewesen. Wie hält es William Fichtner?

Wenn ich die Gelegenheit dazu habe, dann nutze ich sie auch, ganz klar. Allerdings ist Motorsport anders als Golf oder Tennis ein gefährlicher Sport. Man muss sehr gut trainiert haben.

Als Schauspieler sind Sie ein Experte für Polizisten und böse Buben.

Sicherlich habe ich eine Menge dieser Rollen gespielt. Aber nicht, weil das Polizisten- und Bad-Guys-Geschichten waren, danach habe ich die Rollen nicht ausgesucht. Handlung und Figuren müssen eine Tiefe haben, eine Essenz. Carl Hickman in „Crossing Lines“ bietet so etwas an. Nachdem ich nur zwei Drehbücher gelesen hatte, habe ich das Angebot schon akzeptiert.

Carl Hickman musste den Polizeidienst in New York wegen einer Verletzung verlassen, er muss jetzt schauen, was und wer er künftig sein will, wie er aus seiner Vergangenheit in seine Zukunft kommt. In der Figur steckt eine große Dynamik. Hickman muss wieder in die Polizistenrolle zurückfinden, sich zurechtschütteln, er ist kaputt und kompliziert – was für eine Reise!

Meiner Meinung nach sind die Charaktere der „Crossing Lines“-Ermittler interessanter als die Fälle, die sie zu lösen haben. Richtig?

Ich denke, das wird sich mit Fortdauer der Serie ausbalancieren.

Sie arbeiten fürs Fernsehen, Sie arbeiten fürs Kino. Generelle oder nur graduelle Unterschiede?

Für den Schauspieler sind die Unterschiede kleiner, für die beiden Medien sehr viel größer. Eine Serienepisode dauert im Schnitt 45 Minuten, das Drehbuch hat 55, 60 Seiten, gedreht wird jede Folge in acht, neun Tagen. Ein durchschnittlicher Kinofilm braucht vier bis fünf Wochen Drehzeit. Ein Movie kann der kreativere Prozess sein, weil die Produktion mehr Zeit hat, weil mehr geprobt, ausprobiert wird. Wenn du im Fernsehen die letzten zwei, drei Drehtage einer Folge vor dir hast, kommt schon das Drehbuch für die nächste Folge.

Noch mal zurück zu den Figuren und dem Faktor Zeit beim Fernsehen: Nach sechs, sieben Episoden hat jeder Schauspieler ein großes Gespür, eine große Nähe zu seiner Figur. Der Autor muss nicht zu ihm kommen und lang und breit erklären, wohin sich der Charakter entwickelt. Eher ist es umgekehrt: Der Schauspieler sagt dem Autor, was er sich vorstellt oder vorstellen könnte. Das ist der kreative Prozess auf der Zeitachse des Fernsehmachens.

Erzählt das Fernsehen mittlerweile die besseren, spannenden Geschichten als das Kino? Epische Geschichten, Fernsehnovellen wie „Breaking Bad“, „Homeland“, „House of Cards“.

Als ich aufgewachsen bin, gab es drei Networks, ABC, NBC und CBS, später kam Fox dazu. Dann folgten das Kabelfernsehen, die Pay-TV-Programme wie HBO und Showtime. Sie wollten Network-Qualität. Heute kann ich auf meinem Flipboard zwischen 350 Programmen auswählen. Das ist ein großartiger Wettbewerb für die Zuschauer wie für die Macher, gerade für sie ist es eine Herausforderung, sich auch in der Qualität und in der Originalität zu unterscheiden. Aber ich bleibe dabei: Kein noch so großer Bildschirm im eigenen Zuhause kann die Leinwand im Kino ersetzen. Mehrere hundert Leute wollen sich einen einzigen Film zusammen ansehen. Da ist eine enorme Energie im Spiel. Ein einzigartiges Erlebnis.

Staffel eins von „Crossing Lines“ endet an diesem Donnerstag mit einem Cliffhanger. Bald startet der Dreh für Staffel zwei. Was kommt auf das Publikum zu?

Ich würde Ihnen gerne alles erzählen, aber ich kann es nicht, ich darf es nicht. Würde ich es tun, würden Sie dann noch einschalten? Nur so viel: Carl Hickman ist Carl Hickman und bleibt Carl Hickman – die Zentralachse der Show.

Wie viele Staffeln verträgt „Crossing Lines“?

Wenn ich da die richtige Antwort wüsste, wäre ich ein reicher Mann. Serien können sich von Jahr zu Jahr ändern, die Erwartungen des Publikums ebenso, zum Guten wie zum Schlechten. „Crossing Lines“ läuft gut bei Sat 1, Gott sei Dank. Wenn die Zuschauer nicht einschalten, dann ist das das Ende. Game over, da kann das Produkt noch so fantastisch sein. Habe ich leider auch schon erleben müssen. Lassen Sie uns zusammen auf Holz klopfen – für „Crossing Lines“.

Das Interview führte Joachim Huber.

„Crossing Lines“, Sat 1, Donnerstag um 21 Uhr 10

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