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Medien: „Wir erfinden eine völlig neue Zeitung“

Handelsblatt-Geschäftsführer Harald Müsse über den Start des Tabloids „News“ in Frankfurt

Am Dienstag ist Premiere für „News“. Wer soll die Zeitung kaufen, und warum?

„News“ ist eine Qualitätszeitung, die auf die Informations und Lesebedürfnisse von 20- bis 39-Jährigen eingeht. Nach einer Viertelstunde weiß der Leser, was wichtig ist. „News“ ist schnell, kurz, seriös und präzise. Und das in einem für deutsche Qualitätszeitungen neuen Format, dem kleinen, handlichen rheinischen Tabloid.

Glauben Sie, jugendliche Leser über die Form erreichen zu können?

Absolut. Wir haben in Deutschland einen vielfältigen Zeitungsmarkt, und die einzelnen Titel werden regelmäßig modernisiert. Wirkliche Innovationen gibt es nicht. Insbesondere die Regionalblätter wirken wie in Stein gemeißelt. Gleichzeitig wollen alle Verleger jüngere Leser erreichen.

Weshalb Sie etwa Jugendseiten einführen.

Sie können die Marke einer Zeitung nicht unendlich dehnen. Es ist nicht möglich, eine Zeitung zu machen, die jungen und alten Leuten gleichermaßen gefällt. Gehen Sie zu sachte vor, erreichen Sie die Jungen nicht. Übertreiben Sie es, vergraulen Sie die Alten. Ich betrachte es als lohnenswerte Aufgabe herauszufinden, warum 30 Prozent der Bevölkerung keine Zeitung liest, unter ihnen vor allem Junge. Wir wollen wissen, wie eine Zeitung aussehen muss, damit junge Menschen sie lesen.

Wie denn?

Neben dem Format, der Magazin-Optik und der Kürze der Texte muss sie Themen bieten, die in regionalen Zeitungen bisher kaum bis gar nicht vorkommen. „News“ enthält zum Beispiel täglich vier Seiten, die wir „Entdecken“ nennen. Dort finden Sie Wissens-, Technik-, Auto- und Medizinthemen. Weitere vier Seiten heißen „Erleben“ mit Szeneberichten, Veranstaltungstipps, Musik und Prominenten.

Steht dahinter die Idee, denen, die kaum oder gar nicht Zeitung lesen, die Zeitungslektüre schmackhaft zu machen? „News“ als Einstiegsdroge, um die Leser an etablierte Zeitungen heranzuführen?

Das ist nicht die Strategie. Von mir aus können die Leser gern bei „News“ bleiben, auch wenn sie die 40 weit überschritten haben. „News“ ist keine Einstiegsdroge, sondern ein neuer Zeitungstypus.

Warum ausgerechnet in Frankfurt?

Wir machen eine Zeitung für urbane, junge, beruflich engagierte Leute, die etwas besser gebildet sind als der Durchschnitt, etwas mehr verdienen, ein höheres Interesse an Wirtschaft haben und lokal nicht so stark gebunden sind. Davon gibt es in Frankfurt und dem Einzugsgebiet 200 000 bis 300 000 Leute. Das sind nicht die Leser der „Rundschau“ oder der „Frankfurter Neuen Presse“. „News“ liefert zwar Lokalberichterstattung, ist aber keine Konkurrenz für etablierte Zeitungen.

„News“ startet in Frankfurt, doch Springer ist mit „Welt Kompakt“ schon da.

Wir hatten bereits Mitte März, als es „Welt Kompakt“ noch gar nicht gab, beschlossen, „News“ in Frankfurt zu starten.

Trotzdem sind Sie nur der Zweite.

„News“ ist völlig anders. Wir haben einen neuen, unverbrauchten Namen und keinerlei Zwänge, uns optisch, strukturell oder inhaltlich an Bestehendem zu orientieren. Wir erfinden eine völlig neue Zeitung.

Was den Nachteil hat, dass Sie die Marke erst aufbauen müssen und nicht von der Bekanntheit einer bestehenden profitieren.

Das kann auch ein Vorteil sein. „Welt Kompakt“ wendet sich an die „Welt“-Leser, es hat ein neues Format, ist aber kein neues inhaltliches Produkt. Wir dagegen können uns ganz nach den Wünschen der Leser richten. Zum Beispiel ist „News“ sehr interaktiv angelegt. Die Leser können per SMS Kommentare schicken und sogar abstimmen, über welche Themen sie gern etwas lesen möchten.

Wann ist bei „News“ Redaktionsschluss?

Gegen 20 Uhr.

Ist das nicht sehr früh für ein Blatt, dessen Titel die Erwartung weckt, aktuell zu sein? „Welt Kompakt“ wirbt täglich mit dem Redaktionsschluss nach Mitternacht.

Das ist beneidenswert, und trotzdem ist das Wesentliche bis 20 Uhr passiert.

Nicht in der Politik, vor allem nicht im Ausland und im Sport. Und „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ kommen auch erst später.

Wir testen jetzt, wie es mit dem Redaktionsschluss um 20 Uhr klappt. Sollte das wirklich ein Nachteil sein, werden wir das ändern.

Wie groß ist die Redaktion?

In Frankfurt sitzen dreißig Leute. Die Mannschaft ist deshalb so klein, weil nur die Lokalberichterstattung aus Frankfurt kommt. Ansonsten speist sich „News“ aus Inhalten anderer Medien: Das sind alle Nachrichtenagenturen, die Holtzbrinck-Blätter „Handelsblatt“, Tagesspiegel, „Junge Karriere“, „Wirtschaftswoche“ und „Euro“. Für die Entertainment-, Technik- und Internetthemen haben wir eine Kooperation mit der Verlagsgruppe Milchstraße abgeschlossen, in der Titel wie "Fit For Fun“, „Max“, „TV Spielfilm“, „Tomorrow“ und „Amica“ erscheinen. Für weitere Kooperationen sind wir offen. Wichtig ist, dass die „News“-Redaktion selbst entscheiden kann, welche Artikel sie aus dem Angebot nutzt, präzisiert und kürzt. Kein Artikel wird 1 zu 1 übernommen werden.

Ist es ein Problem, dass in der Redaktion zwar Redakteure mit Magazin-, aber kaum welche mit Tageszeitungserfahrung sitzen?

Wir produzieren „News“ seit zwei Wochen täglich zum Test und haben bisher nicht erkennen können, dass das ein Nachteil ist. Sollten wir nach einiger Zeit merken, dass wir uns verstärken müssen, werden wir entsprechend reagieren. Klaus Madzia ist ein erfahrener Chefredakteur, der gut improvisieren und gut mit jungen Leuten arbeiten kann.

Wie finanziert sich das Blatt?

Die Investitionen belaufen sich zum Zeitpunkt des Starts auf eine sechsstellige Summe. Das ist weniger als andere Verlage für Beraterverträge ausgeben. Bei 50 Cent und einer Auflage im einstelligen Tausenderbereich basiert das Geschäftsmodell auf schmalen Vertriebserlösen, aber einem ordentlichen Anzeigengeschäft.

Demnach werden Sie die Anzeigen nicht kostenlos abdrucken, wie es „Welt Kompakt“ macht.

Nein. Die Anzeigenseiten von Regionalzeitungen sind für viele lokale Kunden aus Handel oder Gastronomie zu teuer. Außerdem sind die Streuverluste hoch. Bei „News“ kostet eine ganze, vierfarbige Seite 960 Euro, und der Kunde kann sicher sein, dass er ganz gezielt junge, mobile und kaufkräftige Leute aus der Region erreicht. Das kann die Disko, das Auto- oder Möbelhaus in einem Randbezirk Frankfurts sein, das Restaurant am Römer oder der Prada-Laden auf der Goethestraße.

Springer hat gerade den Test für „Welt Kompakt“ für beendet erklärt und angekündigt, die Verbreitung auf Städte im gesamten Bundesgebiet auszuweiten. Welche Pläne haben Sie mit „News“?

Sollte sich der Test in Frankfurt als erfolgreich erweisen, könnten wir in weitere Ballungsräume gehen. Vielleicht ergeben sich hier auch interessante Kooperationsmöglichkeiten.

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