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Medien: „Wir können warten“

Bodo Hombach denkt schon wie ein WAZ-Mann. Es ist alles eine Frage der Zeit. Der Poker um Springer geht weiter

Von Jürgen Zurheide

Die Anfragen im Archiv häuften sich. Gleich mehrere leitende Redakteure suchten alle Artikel über eine Person aus den vergangenen Jahren: Bodo Hombach. Das Interesse an dem früheren Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder wurde schlagartig geweckt, als erste Gerüchte auf den Fluren des Essener WAZ-Konzerns waberten, der Mann werde Geschäftsführer im Hause. Nicht wenigen trieben die schwarz auf weiß festgehaltenen Zeilen Schweißperlen auf die Stirn, denn der „Mann unter Generalverdacht“, wie gelegentlich getitelt wurde, hatte in der Vergangenheit immer wieder Anlass für Schlagzeilen geliefert. Besonders unappetitlich war die Frage, ob er sich beim Bau seines privaten Reihen-Eckhauses in Mülheim habe helfen lassen. Obwohl diese Frage am Ende eindeutig mit Nein beantwortet wurde, hatten längst nicht alle Schreiber ausgewogen berichtet. Dies traf auch auf den einen oder anderen Kollegen aus dem weit verzweigten WAZ-Imperium zu. Umso größer war die Überraschung, dass Hombach dies bisher intern noch nie thematisiert hat. Wer Hombach in diesen Tagen begegnet, wundert sich ohnehin.

Man muss ihn schon ausdrücklich auf die politische Lage ansprechen, bevor er sich dazu äußert. Diesen Einblick in seine nach wie vor vorhandene Fähigkeit zur Analyse der Situation kurz vor der Bundestagswahl gewährt er aber nur, wenn er sicher sein kann, dies hinterher nicht in der Zeitung zu lesen. Dafür wird er gesprächiger, wenn es um die 120 Standorte der Lokalredaktionen der WAZ-Gruppe geht, wenn er über die Druckhäuser oder die Papierpreise reden kann. Als die Gewerkschaft im Frühjahr durch Streiks höhere Löhne durchzusetzen versucht hat, hatte er keine Mühe mit seiner neuen Rolle als Arbeitgeber; er wusste genau, wie man mögliche Engpässe durch den Ausstand frühzeitig umgehen konnte.

Der Mann ist angekommen in Essen und hat selbst sein Büro nicht neu möbliert.

So empfängt er Gäste in einem Ambiente, das aus den 70er Jahren stammt; selbst die Farbe Orange strengt hier und da die Augen an. Wer dort mit ihm spricht, stellt sich unweigerlich die Frage, wann die verschiedenen Kollegen aus dem Hause Springer zuletzt mit dem neuen Mann in der Essener Chefetage geredet haben. „Dramatischer Linksruck bei der WAZ“ hatten sie getitelt und Hombach als von Gerhard Schröder in Essen platziertes U-Boot beschrieben. Mal abgesehen von der Tatsache, dass sich vier Männer die Geschäftsführung des Konzerns gleichberechtigt teilen: Sie überschätzen Hombach gewaltig. „Glauben die etwa, ich könnte hier aus politischen Gründen dauerhafte Verluste einkaufen?“, schüttelt Hombach ob solcher Vorstellungen den Kopf.

Die Sache mit der Politik ist in Essen ohnehin etwas anders. Schon als das Zeitungshaus 1948 gegründet wurde, hatten die alliierten Lizenzgeber mit einer klugen Konstruktion darauf geachtet, dass im Herzen der neuen Republik Ausgewogenheit zum Prinzip erkoren wird. Zwei Männer erhielten die Lizenz und wurden aneinandergekettet: Jakob Funke, der Konservative, und Erich Brost, der Sozialdemokrat. Bis heute beherrschen die Erben der beiden das Imperium, und bis heute liegen die beiden völlig gleichberechtigten Lager politisch nicht auf einer Wellenlänge. Das hat sie in der Vergangenheit nie gestört, denn ihnen geht es um eines: Sie wollen Geld verdienen. Dass sie davon viel verstehen, ist in der Branche bekannt; ihre Renditen lagen stets im zweistelligen Bereich.

Ihre Erfolgsrezept ist einfach. Günther Grotkamp, der durch Heirat mit einer Funke-Tochter vom Geschäftsführer zum Eigentümervertreter mutiert ist, hat das WAZ-Prinzip ausgetüftelt. Wann immer sich die Möglichkeit bot, hat er Zeitungen aufgekauft; nicht selten hat er mit rüden Methoden dafür gesorgt, dass sich solche Chancen eröffneten. Anschließend hat er den Übernommenen redaktionelle Unabhängigkeit zugesichert. Alles andere wurde zusammengelegt.

Nach diesem einfachen Strickmuster wollen die WAZ-Patriarchen – neben Grotkamp sitzt für die Brost-Seite Erich Schumann, der frühere Rechtsanwalt von Willy Brandt – die Springer-Anteile übernehmen. „Allein in Nordrhein-Westfalen erwirtschaften wir Synergien von 80 Millionen Euro“, rechnet Bodo Hombach vor. Man kann bei den Druckhäusern kooperieren, beim gemeinsamen Papiereinkauf, beim Vertrieb. Das ist alles schon durchgerechnet. Allein diese Zahl entspricht der Hälfte der aktuellen Verluste im Hause Springer. „Mit wem sollen die das denn sonst schaffen“, fragt Hombach – eine Antwort kennt er nicht.

Der Schweizer Verleger Michael Ringier jedenfalls, davon sind die Essener überzeugt, hat weder das Kapital für einen Einstieg bei Springer noch die Chance, ähnliche Synergien herzustellen.

Weil sie das wissen, bleiben sie ganz ruhig. Natürlich haben sie längst verstanden, dass sie gegen den erklärten Willen von Friede Springer wenig ausrichten können und langjährige Gerichtsverfahren keiner Seite helfen. Da sie gut rechnen können, beobachten sie die Lage. Selbst nach dem 10. September, also dem möglicherweise letzten Tag, an dem Leo Kirch über seinen Anteil verfügen kann, rechnen sie sich Chancen aus. „Die Banker stützen uns“, sagt einer der beiden Eigentümer, „wir können also warten“. Die Frage, ob sie genügend Geld haben, den Deal abzuwickeln, erübrigt sich. Selbst nach dem Kauf wäre die WAZ-Kriegskasse noch immer gut gefüllt. Daran wird auch Hombach nie etwas ändern.

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