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Medien: „Wir müssen die Schuldigen dingfest machen“

ARD-Programmdirektor Günter Struve kürzt Magazine, schickt Moik vor die Tür und hat ein Problem mit Schleichwerbung

Herr Struve, die politischen Magazine sind frisch kastriert, Karl Moik vor die ARDTür gesetzt. Welche Grausamkeiten haben Sie noch im Köcher?

Was Sie Grausamkeiten nennen, nenne ich Verbesserungen. Durch die Vorverlegung werden die „Tagesthemen“ einige Hunderttausend mehr Zuschauer bekommen. Die Aufregung bei den politischen Magazinen ist zwar relativ groß, nimmt man die Lautstärke der Diskussion zum Maßstab. Aber, wir haben immer noch mehr Magazine im Programm als jeder andere Sender in Europa. Und bedenken Sie auch, dass die Verdoppelung der Sendezeiten, die wir den Magazinen 1992 zugesprochen hatten, nicht zu einer entsprechenden Bedeutungszunahme geführt hat. Damals hatten die Magazine im Schnitt knapp sechs Millionen Zuschauer, heute sind es leider nur noch etwa drei Millionen.

Am 40. Geburtstag von „Monitor“ haben Sie die politischen Magazine als „Farbtupfer“ bezeichnet. Warum so herablassend?

Die politischen Magazine sind eine Farbe, die wir sonst im Programm nicht haben, und von der ich überzeugt bin, dass wir sie haben sollten. Ich entschuldige mich gerne für den „Farbtupfer“, wenn es nötig sein sollte. Hätte ich „Farbklecks“ gesagt, könnte ich die Aufregung vielleicht etwas mehr verstehen.

Die „Tagesthemen“ werden von 2006 an zwischen 22 Uhr 15 und 22 Uhr 45 ausgestrahlt. Warum diese Vorverlegung?

Wir wollen den „Tagesthemen“ mehr Gewicht geben. Außerdem kann das „Nachtmagazin“ damit in der Regel bereits vor Mitternacht starten.

Glauben Sie, dass das alles der ARD ab 2006 mehr Zuschauer bringen wird?

Vielleicht nicht der ARD als Ganzes, aber auf jeden Fall den „Tagesthemen“, wie ich hoffe. Mit der Vorverlegung auf 22 Uhr 15 können wir unser zweites Nachrichten-Flaggschiff deutlich aufwerten und einen großen Teil all jener Zuschauer erreichen, die sich bisher um diese Uhrzeit verabschieden: Laut Medienforschung sind um 22 Uhr 15 durchschnittlich drei Millionen Zuschauer mehr zu erreichen als um 22 Uhr 30.

Es geht die Mär, die Verschiebung der „Tagesthemen“ geschehe nur aus einem Grund: damit der superteure Harald Schmidt besser zur Geltung kommt.

Das ist mir neu. Harald Schmidt ist doch nur zwei Mal in der Woche auf Sendung. Wir haben Schmidt bis Mitte des nächsten Jahres unter Vertrag, was dann kommt, weiß noch keiner. Wir haben durch Harald Schmidt ganz neue, und vor allem jüngere Zuschauer bekommen, die wir vorher nicht hatten. Das stört vielleicht manchen. Vielleicht kommen solche absurden Vorhaltungen aus dieser Ecke.

Wie halten Sie eigentlich davon, wenn Gerhard Delling vom 18. Juli an eine Woche lang Anne Will bei den „Tagesthemen“ vertreten wird?

Die Erregung darüber kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ich sehe darin kein Problem.

Herr Struve, was hat Karl Moik so falsch gemacht, dass er gehen muss?

Karl Moik hat sich große Verdienste erworben. Und er ist keineswegs vor die Tür gesetzt worden. Der Bayerische Rundfunk und der ORF sind zu der Überzeugung gelangt, dass man beim „Stadl“ etwas Neues versuchen muss.

Die ARD hat am Nachmittag Probleme. Warum geht es nicht voran?

Das Problem ist: Wir geben für den gesamten Nachmittag eine Summe aus, die das ZDF für eine 40-Minuten-Sendung aufwendet. Mit unserem Budget für den Nachmittag ist leider kein Blumentopf zu gewinnen. Und es ist auch nicht so, dass wir einfach Geld aus anderen Programmen abziehen könnten. Die einzige Sendung, die wir für den Nachmittag produzieren lassen, ist „Fliege“.

Warum ändern Sie das nicht?

Wir werden sicher nicht mehr Geld zur Verfügung haben als bisher. Wir müssen umschichten. Allein schon weil der Nachmittag seit Jahren der größte Wachstumsmarkt des Fernsehens ist.

Sie führen doch Gespräche in dieser Sache.

Zu gackern, bevor das Ei gelegt ist, habe ich vielleicht in meiner Jugend gemacht. Im Alter bin ich da zurückhaltender geworden.

Ein Nachmittagsprogramm um eine Telenovela herum, wie wäre das?

Schön und gut. Denn es gibt eine Sehnsucht nach Vereinfachung, der man offenbar nicht entkommen kann.

Herrn Fliege haben Sie mit der Erwartung einer hohen Quote unter Druck gesetzt. Wird Herr Fliege das schaffen?

Jürgen Fliege mobilisiert ohne Zweifel viele Gläubige der evangelischen Kirche. Fliege hat Befähigungen, die ich mir nicht entgehen ließe, wäre ich an leitender Stelle in der Kirche.

Sie raten ihm, lieber in der Kirche zu predigen als im Fernsehen?

Wir sind uns mit ihm einig: Der 15. Juli ist der Stichtag. Danach werden wir entscheiden. Ein zweistelliger Marktanteil wäre schon schön.

Müssen wir uns um Fliege Sorgen machen?

Ein Mann mit seinen Fähigkeiten wird sicher nicht auf der Straße enden.

Erleben wir zurzeit das Ende des Talks am Nachmittag?

Die Zeit ist jedenfalls nicht günstig für dieses Format. Ich warte auf das Ende der Gerichtsshows, von denen ich mir jede Woche eine oder zwei ansehe. Aber das ist nicht das Fernsehen, das ich machen will. Selbst wenn ich Geschäftsführer eines privaten Senders wäre.

Schön zu hören, dass es für Sie Grenzen gibt. Gilt das auch für Schleichwerbung?

De facto ist jede Schleichwerbung verboten. So steht es in allen Verträgen, die die ARD abschließt. Wenn jemand das für ein Kavaliersdelikt hält, dann liegt dieser Jemand falsch. Wir werden künftig noch stärker auf Fehlverhalten achten. Als ich von den Werbefällen beim „Marienhof“ hörte, habe ich schon befürchtet, dass es ein Flächenbrand sein könnte. Heute habe ich die begründete Hoffnung, dass dem nicht so ist.

Müssen Sie jetzt viel aus fertigen Produktionen herausschneiden?

Wir haben es hier nicht mit einem Massenphänomen zu tun.

Erkennen Sie Schleichwerbung?

Nein. Aber wo mir etwas aufgefallen ist, da habe ich eingegriffen. Das hat mir dann auch schon mal den Vorwurf der politisch motivierten Einflussnahme eingebracht. Die aktuellen Fälle sind ja nicht durch reines Anschauen in Gang gekommen. Soweit bei Abnahmeprozessen auch nur der Verdacht der Schleichwerbung erkannt worden ist, ist man auf der Arbeitsebene dagegen vorgegangen.

Ist Ihnen bei „Liebling Kreuzberg“ nie etwas aufgefallen, zum Beispiel der Wackelpudding des Herrn Liebling?

Nein. Für mich war das ein Gag, nichts weiter. Meinen Sie, dass die Wackelpuddingindustrie dahintersteckte?

Die, die es wissen müssen, sagen so. Was würden Sie bei Wiederholungen machen?

Wenn es nur einen einzigen Hersteller von Wackelpudding zu der damaligen Produktionszeit gegeben hätte, dann müsste man der Sache vielleicht nachgehen. Und die Schuldigen dingfest machen.

Warum moderiert Sabine Christiansen und nicht Thomas Roth das Fernsehduell zur Bundestagswahl?

Sagen Sie bloß, Sie haben etwas gegen Frauen.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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