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In Warteposition. Die Schauspieler Stephan Luca (links ) und Axel Ranisch wissen noch nicht, ob die Krimi-Reihe "Zorn" fortgesetzt wird.

© dpa

Wirtschaftsfaktor TV-Mord: Viele Tote, viele Touristen

Halle sorgt sich um die Fortsetzung der "Zorn"-Krimis. Verständlich, denn Schauplätze eines TV-Krimis locken Touristen. Wie Berlin beweist.

War der "Tatort" vom vergangenen Sonntag eine echte Werbung für einen Berlin-Besuch? Da war einer mit Benzin übergossen worden und dann mit einem Gartenstuhl bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Der Kommissar weiß nicht, ob er Männlein oder Weiblein sein und lieben soll, die Kommissarin wird beim Gedanken, mit Mann und Maus nach Straubing gehen zu müssen, bis auf den Grund ihrer Existenz melancholisch. Und dann die Serie "4Blocks" bei TNT. Soddom und Gomorrha auf Neuköllnisch. Vieles, aber keine Einladung, dem Kiez mal eine Visite abzustatten.

In Sachsen-Anhalt aber sind sie überzeugt, dass die ARD-Krimireihe "Zorn" Menschenmassen nach Halle saugt. Besonders die Landesregierung aus CDU, SPD und Bündnisgrünen. Deren Sprecher Matthias Schuppe wies am Mittwoch darauf hin, dass sich die Landesregierung seit längerer Zeit für die Fortsetzung der Reihe einsetze. Unabhängig von der inhaltlichen Beurteilung der Filme seien sie medienpolitisch und wirtschaftlich für die Stadt bedeutsam. Diese Überzeugung teilen zwei nicht: Bildungsminister Marco Tullner und ARD-Degeto. Der CDU-Politiker hatte sich am Montag auf Facebook besonders kritisch über den ARD-Krimi geäußert: „So, jetzt endlich den neuen ZORN-Film gesehen. Diese Filme braucht niemand! (im Gegensatz zu den Büchern). Verschwendete Lebenszeit. Und diese schlechten Kommissare...“.

Fortsetzung von "Zorn" offen

Über eine Fortsetzung der in Halle spielenden ARD-Krimireihe „Zorn“ soll in den kommenden Wochen entschieden werden. Eine Sprecherin der ARD-Tochter Degeto sagte der dpa, sie rechne im Sommer mit einer Entscheidung darüber, ob es einen sechsten Teil geben werde. Der fünfte Krimi mit dem Titel „Kalter Rauch“ und den Hauptdarstellern Stephan Luca als Hauptkommissar Claudius Zorn und Axel Ranisch als sein Kollege Schröder war am 1. Juni ausgestrahlt worden. Über die Zukunft der „Zorn“-Reihe wird schon seit längerem diskutiert - auch mit Blick auf gesunkene Quoten. So interessierten sich rund 3,89 Millionen Zuschauer für die vierte Folge („Wie sie töten“) im April 2016. Der Marktanteil betrug 12 Prozent. Die erste Folge „Tod und Regen“ hatte 2014 noch 6,26 Millionen Zuschauer (17,6 Prozent). Mit einem Marktanteil von 14 Prozent lag die jüngste Folge der Krimi-Serie Anfang Juni zwar besser im Rennen als die davor, hatte aber mit 3,54 Millionen noch weniger Zuschauer.

Halle ist kein Hotspot des deutschen Fernsehgeschehens. Auffällig nur in den Jahren 1996 bis 2013, als der "Polizeiruf 110" mit Herbert Schmücke (Jaecki Schwarz) und Herbert Schneider (Wolfgang Winkler) in 50 Folgen die DDR abwickelten. Nach dem Finale für Schmücke und Schneider sah sich der MDR gezwungen, den Nachfolger-"Polizeiruf 110" nach Magdeburg, Hauptstadt von Sachsen-Anhalt, zu verlegen. Halle war blank, bis die "Zorn"-Krimis von Stephan Ludwig, lebt und raucht in Halle, für das Erste verfilmt wurden.

Viele Tote = viele Touristen

Halle ist kein Einzelfall, viele Städte möchten zur besten Sendezeit auf dem Bildschirm Schauplatz sein. Als der Südwestrundfunk das Ende seines Bodensee-"Tatorts" ankündigte, wollten Freiburg, Ulm, Mannheim und Heidelberg , Baden-Baden und Karlsruhe nachrücken. Freiburg machte mit Heike Makatsch erst das Rennen, aber deren erster "Tatort" war so unterdurchschnittlich, dass über eine Fortsetzung bis heute nicht entschieden ist. Jetzt ist der Schwarzwald dran. Die Tourismusmanager jubeln über den Werbeeffekt schon, auch wenn Harald Schmidt seine Teilnahme zwischendurch abgesagt hat.

Stimmt das denn? Fährt einer nach Halle, weil Kommissar Zorn die wahrscheinlich mausetote Besitzerin eines künstlichen Hüftgelenks sucht, urlaubt eine in Berlin, weil bei Laubenpiepers Gartenstuhl und Mensch brennen? Es scheint zu stimmen, denn der Tourismus boomt in der Hauptstadt. Viele Tote = viele Touristen. Eine Gleichung, die makabererweise aufgeht. (mit dpa)

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