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Der Schach-WM-Kampf Sergej Karjakin gegen Magnus Carlsen in New York.

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Update

WM-Kampf Carlsen gegen Karjakin: Schachzüge = Tore

Die Schach-WM ein „Sportschau“-Thema? Nein, wer dieser Tage den spannenden Kampf von Magnus Carlsen gegen Sergej Karjakin in New York verfolgen will, muss ins Internet. Dort geht es heiß her, auch weil der Herausforderer überrascht.

Es ist das Match des Jahres: der Kampf um die Schach-Weltmeisterschaft, den Herausforderer Sergej Karjakin und Magnus Carlsen in diesen Tagen in New York austragen. Auch wenn es bis Freitag noch keinen Sieger gab (in der fünften Partie am Donnerstag hatte sogar erstmals der Herausforderer leichte Vorteile), die Partien der beiden ehemaligen Wunderkinder des Schachs waren in der ersten Woche an Dramatik nicht zu überbieten. Der Fernsehzuschauer in Deutschland kriegt davon nichts mit, wird sportlich mit Fußballspielen gegen San Marino unterhalten – wer sich informieren möchten, muss ins Internet.

Dort brachen in den vergangenen Tagen unter der Last des Andrangs offenbar Server zusammen. Die Partien beginnen jeweils um 20 Uhr deutscher Zeit und passen somit gut ins Abendprogramm der Schach-Fans. Diverse Portale übertragen die Spiele via Liveticker. Großmeister wie Daniel King auf „Spiegel online“ erklären am nächsten Tag in Kurzvideos, was da auf den 64 Feldern passiert ist, was sich die beiden Schach-Genies bei ihren Zügen gedacht haben, wo sie Fehler gemacht haben. Wie Magnus Carlsen, der in der vierten Partie einen leichten Gewinnzug übersah. Der Stabilität des Streamings nach zu urteilen, rufen Millionen Schachfans die King-Videos am PC ab. "Insgesamt hat das aktuelle Turnier bisher mehr als 18 Millionen Page Impressions erbracht", sagt Florian Harms, Chefredakteur von Spiegel online.

Mit Livebildern vom Ort des Geschehens ist das schwieriger. Wie in jeder anderen Sportart liegen die Übertragungsrechte der Weltmeisterschaft beim Veranstalter, dem Weltschachverband FIDE. Anstatt die Rechte zu verkaufen, bietet der Verband eine eigene Live-Stream-Übertragung im Internet an. Dabei können die Zuschauer das Spielgeschehen aus verschiedenen Kameraperspektiven, darunter eine 360-Grad-Kamera, verfolgen.

Zum ersten Mal wird die WM auch in Virtual Reality übertragen. Kostenlos ist die Übertragung der FIDE allerdings nicht. Der Verband bietet unterschiedliche Pakete an. Das billigste kostet umgerechnet rund 13,50 Euro. Darin enthalten sind alle Streaming-Angebote, ein Chat-Feature sowie ein Dashboard, auf dem alle Züge angezeigt und analysiert werden.

Immerhin, am Sonntag kommt die "Sport-Reportage"

Solche Features verwenden andere Schach-Portale in ihren kostenlosen Liveübertragungen ebenfalls. Ein heikles Thema. Beim Kandidatenturnier im März, auf dem sich Karjakin für das Match gegen Carlsen qualifizierte, wollte der Veranstalter die Angebote anderer Portale verbieten lassen. Dabei ging es nicht um Bilder, um Streams, sondern um die Kommentierung von Zügen auf einer schematischen Darstellung des Schachbretts. Die Veranstalter beriefen sich auf ihr Hausrecht und drohten Plattformen mit Haftstrafen bis zu zehn Jahren.

Die Gegner argumentierten, Züge im Schach seien Allgemeingut wie aktuelle Spielzüge und Tore in Sportarten wie Fußball. Das Schachportal „chess24.com“ übertrug das Turnier trotz Verbots im Netz und wurde vom Veranstalter verklagt. Dieser forderte Schadenersatz in Höhe von 20 Millionen Rubel , der Fall landete vor dem Moskauer Handelsgericht. Das entschied, das Schachzüge lizenzfrei und für jedermann zugänglich sind.

Das Fernsehen (oder auch das Kino) braucht natürlich Bilder. Die Abstinenz des deutschen Fernsehens ist völlig unverständlich. In Norwegen laufen die WM-Partien sechs Stunden live mit riesigen Einschaltquoten. Bei guter Aufbereitung könnte man hier gute Zahlen erzielen, sagt André Schulz von „chessbase.de“. Aber die Zeiten, dass Dritte Programme wie der WDR in Person von Helmut Pfleger dem Schach-Geschehen Sendezeit boten, sind lange vorbei.

Immerhin, am Sonntag soll ein Beitrag aus New York zur Schach-WM in der ZDF- „Sport-Reportage“ laufen. „Es ist äußerst schwierig, selbst mit einer eigenen Kamera dort drehen zu können, man ist sehr restriktiv mit Zugängen und Drehmöglichkeiten“, sagt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Die ARD-„Sportschau“ will das Turnier weiter beobachten und dann gegebenenfalls berichten. Das wird auch Zeit.

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