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Medien: Wo die moralische Empörung kaum noch Luft bekommt

Der ZDF-Krimi „Bella Block“ ist auf dem Weg zum ganz normalen Krimi – und damit auf dem falschen Weg

Nichts Besonderes los in der Mordkommission, bloß ein Haushaltsunfall. Eine junge Krankenschwester liegt mit gebrochenem Genick in ihrer Dusche. Leicht angeödet zieht Kommissarin Bella Block los, Job ist Job. Und dann schaut sie in die laufende Waschmaschine: Buntes mit 100 Grad, das macht nur ein Mann. Also doch Mord.

Was so harmlos beginnt, entpuppt sich als ein ziemlich widerliches Knäuel aus Liebesunglück, Feigheit, Sentimentalität, Wahrheitssuche, kriminelle Vertuschungsaktionen und einer besonders perfiden Art des Tötens. Ein untreuer Ehemann beschuldigt sich in sentimentaler Mea-Culpa-Gestik selbst, Todkranke in der Klinik-Intensivstation sterben in schon nicht mehr zufälliger Häufung, der Chefarzt guckt lieber weg als hin. Ein psychisch beschädigter junger Mann wandelt als Todesengel durch Klinikgänge, Hochhausschluchten und Müllanlagen. Und Bellas Freund Simon weiß mit seinem Vater, der sich so hypochondrisch wie vergnügt auf sein Sterben vorbereitet, auch nicht mehr recht weiter.

Hinreichend Stoff also für eine gnadenlos klarsichtige Bella Block, die vor moralischer Empörung kaum mehr Luft kriegt („Tödliche Nähe“, 20 Uhr 15, ZDF). Buchstäblich jedem, der ihr über den Weg läuft, liest sie die Leviten. Mal liebevoll, mal brüllend vor gerechtem Zorn. So hat man Bella selten gesehen, so penetrant selbstgerecht, so pastoral.

Ja, ja, sie hat ja diesmal wirklich Recht, sie, die bisher doch auch Fehler machen durfte.

Wie es der feinsten Tradition in dieser ZDF- Reihe mit Hannelore Hoger entspricht, geht es nicht nur um die Aufklärung irgendeines Kriminalfalles, sondern um ein gewichtiges gesellschaftliches Thema: Wie stellen wir uns dem Sterben, dem Tod? Was nützt ein Patienten-Testament? Was soll geschehen mit rettungslos kranken Patienten auf der Intensivstation? Darf ein bisschen nachgeholfen werden – zu Gunsten aller, der Versichertengemeinschaft, der Angehörigen, der Leidenden selbst? Wie schon in „Bella Block VII – Abschied aus Licht“ von 1999, dem stärksten und komplexesten Film der ganzen Reihe, kommt noch einmal das Thema Sterbehilfe zum Tragen, formuliert vom selben Drehbuchautor Richard Reitlinger.

Diesmal aber fehlt das Abwägen, die differenzierte Auseinandersetzung mit einer derart aktuellen und schwierigen Debatte. Diesmal sind Gut und Böse säuberlich geschieden, Bella hat Recht und schlechte Laune, der Verdächtige bleibt verdächtig, und alle reden ein bisschen zu viel.

Was ist geschehen? Wagt es im Jahr 2002 der Drehbuchautor nicht mehr, virtuos mit Widersprüchen zu hantieren – und seine Protagonistin in handfeste Gewissenskonflikte zu stürzen? Oder hat die Redaktion der Mut verlassen, den Zuschauern eigenes Nachdenken zuzumuten? Selbst Hannelore Hoger gesteht, dass ihr die frühere Bella besser gefiel – vielfältige Seelenregungen geben mehr her zum Spielen.

Mechthild Zschau

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