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Medien: Wo sind die alten Werte vergraben?

Vor fast 35 Jahren wurde im Stadttheater von Halle ein Stück uraufgeführt, das einen berühmten Stoff für die Gegenwart adaptierte. „Die neuen Leiden des jungen W.

Vor fast 35 Jahren wurde im Stadttheater von Halle ein Stück uraufgeführt, das einen berühmten Stoff für die Gegenwart adaptierte. „Die neuen Leiden des jungen W.“ hieß der dramatische Wurf des Autors Ulrich Plenzdorf, der wie einst Goethes „Werther“ zum Kultstück der Jugend avancieren sollte. Weil hier ein junger DDR-Bewohner rebellisch dachte und sich aus allen Irrungen und Wirrungen seiner unreifen Seele schließlich durch Selbstmord erlöste. Die Obrigkeit fühlt sich durch so viel Konflikt provoziert, das folgende Verbot löste einen regelrechten Kulturkampf mit jenen aus, die wenigstens in dem Theater ihre 68er-Revolte haben wollten. In seinem Feature „Die Freuden und Leiden des jungen P.“ erinnert Tobias Barth an das legendäre historische Scharmützel (Kulturradio, 14. Juni, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

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In ein Künstlerschloss mit dem bissigen Namen Viperngrund entführt Wolfgang Zanders amüsantes Krimihörspiel „Titanic Viperngrund“ . Wer an das brandenburgische Schloss Wiepersdorf denkt, liegt vollkommen richtig. Seit Jahrzehnten wird der einstige Wohnsitz der Familie von Arnim von Erholung suchenden Kunstarbeitern frequentiert. Autor Zander greift hinein in die riesige Schatzkiste voller Anekdoten und Sagen über den Ort. Im Krimi erhält Schlossdirektor Bellheimer Morddrohungen und engagiert zu seinem Schutz Privatdetektiv Gass aus Potsdam. Der kauzig-ironische Detektiv, gespielt von Jürgen Holtz, muss sich nun tagsüber der Künstlerneurosen erwehren und nachts mit romantischen Schlossgespenstern kämpfen. Den befürchteten Mord kann er nicht verhindern, trotzdem kommt alles anders als geplant (Deutschlandfunk, 17. Juni, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

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Schiffbrüche scheinen uns irgendwie vertraut. Man wuchs auf mit Robinson Crusoes Abenteuern, später gab es unzählige Filme, in denen sich Schiffbrüchige an morsche Planken klammern und ums Überleben kämpfen. Wie es wirklich ist, heute in den Weiten des Ozeans unterzugehen, davon erzählt Mechthild Müsers Feature „Schiffbruch“ . Vor drei Jahren sank eine Yacht aus Bremen im nördlichen Atlantik, sechs Segler trieben tagelang auf einer Rettungsinsel . Vorm Mikrofon erzählen sie ihre Geschichte (Deutschlandradio Kultur, 17. Juni, 18 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Auch die beiden Hauptfiguren in I gor Bauersimas Hörspiel „Norway. Today.“ , sind Nachfahren des romantischen Jünglings Werther. Julie und August reisen nach Norwegen, um von einer Klippe in den Abgrund zu springen. Doch zuvor hören wir jugendliche Meditationen über den Freitod als letzte Bastion des Reinen und Echten in einer falschen, schmutzigen Welt. Julie und August haben sich bei Kant über die Scheinhaftigkeit des ganzen Lebens belesen, ein Selbstmord dürfte also kein größeres Problem sein. Aber dann leuchtet plötzlich ein wunderschönes Polarlicht am Himmel und die Frage, wer daheim die Goldfische füttern soll, ist auch noch nicht geklärt. Die letzten Grüße an die Verwandten werden auf Video aufgezeichnet, aber wie bringt man die wirklich cool rüber? Sollte man das mit dem Sterben nicht doch lieber später probieren? Das Fazit: Das Leben ist zäher als jede philosophische Skepsis (Deutschlandradio Kultur, 18. Juni, 18 Uhr 30).

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Mit Bruno und seiner defekten Kaffeemühle reisen wir zurück in die besten Jahre der DDR. Joachim Nowotnys Hörspiel „Ein altes Modell“ wurde 1974 erstmals gesendet. Eine Preziose aus den Archiven des DDR-Rundfunks. Früher wurde die Störung an Brunos elektrischer Mühle durch einen befreundeten Elektriker schnell im Handumdrehen behoben. Jetzt gibt es ein großes Reparierkombinat mit zentraler Annahme und wochenlanger Wartezeit. Der Sozialismus, muss Bruno im Verlauf begreifen, ist steif und sehr kompliziert geworden. Er will sich nicht abfinden damit und geht mitsamt der Mühle auf Wanderschaft. Irgendwo müssen die alten Werte doch vergraben sein (Deutschlandfunk, 20. Juni, 20 Uhr 10).

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