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Medien: Wo Wissen siegt

„Wer wird Millionär?“ verdient das Prädikat „wertvoll“

Ein allgemeines Vorurteil lautet, das Fernsehen nähme (s)eine erzieherische oder pädagogische Aufgabe nicht wahr. In einem Fall, und das sogar bei den Privaten, ist das anders. „Wer wird Millionär?“ verdient das Prädikat „wertvoll“.

Es mag ja sein, dass manche Zuschauer die Sendung aus purer Neugier sehen, gepaart mit einem Schuss Schadenfreude, wenn Kandidaten scheitern. Ebenso ist denkbar, dass andere bei dem Programm hängen bleiben, weil es das relativ interessanteste ist und die „Glotze“ stets läuft oder wieder andere nur wegen des Moderators Günther Jauch einschalten.

Lässt man alle Motivforschung beiseite, bleibt Folgendes: Ob man will oder nicht, man lernt dazu. Der Zuschauer erkennt, dass Wissen sich lohnt; damit ist sogar spielerisch Geld zu verdienen. So kann man vermuten, dass auch diese Sendung einen Reflex entwickelt: Bereitschaft und Wille zu mehr Wissen – man mag es Bildung nennen – dürften zugenommen haben. Die Kandidaten beweisen, dass sie unabhängig von ihrer beruflichen Position über Kenntnisse verfügen, die nicht nur auf ein bestimmtes Feld bezogen, sondern allgemein sind. Leistung findet Anerkennung. Der sportliche Aspekt – Gewinner und Verlierer – kommt als Moment der Spannung hinzu.

Ein Vergleich, der auf den ersten Blick überrascht: Warum hat die MoMA-Ausstellung in Berlin einen so überwältigenden Erfolg? Gewiss bestehen die Besucherschlangen nicht nur aus Kunstsachverständigen und Kunstliebhabern. Bei diesem Event dabei gewesen zu sein, spielt auch eine Rolle.

Aber auch bei denen, die noch nie in einem Museum waren, kann Interesse geweckt werden. Zwar haben solche Ereignisse die Wirkung eines Wunschkonzertes: Es werden nur Bonbons angeboten. Wenn dabei aber der Appetit auf mehr geweckt wird, sollte dies doch froh stimmen – statt darüber zu maulen, dass man sich nur die Rosinen herauspickt.

Mit Ablehnung haben Museumsdirektoren auf den Vorschlag des Bundespräsidenten reagiert, aus dem reichen Schatz Berliner Sammlungen zu bestimmten Themen Sonderausstellungen zusammenzustellen. Das Ziel dabei ist, möglichst breite Kreise für Kunst zu interessieren. Was ist besser: dass Museen nur von einer überschaubaren Anzahl von Zuschauern besucht werden oder die Popularisierung durch spektakuläre Inszenierungen? Ein nicht hinreichend vorgebildetes und interessiertes Publikum ist vermutlich nur durch Highlights zu gewinnen. Wenn dadurch Interesse geweckt wird, auch das zu sehen, was nicht spektakulär präsentiert wird, lohnt dies die Mühe. Und wenn eine solche Folge nicht eintritt und das Interesse an Kunst sich auf das Außergewöhnliche beschränkt? Dann ist das immer noch besser, als wenn es gänzlich fehlt.

So ist es auch bei Günther Jauchs Sendung. Neben der Unterhaltung bleibt das eine oder andere an Zugewinn hängen. Vielleicht wird auch jemand animiert, einmal zu einem Buch zu greifen, um etwas Ergänzendes zu lesen. Und die Erkenntnis, dass man vieles nicht weiß, kann zu einem Erschrecken über eigene Lücken führen. Dann ist der Effekt womöglich so ähnlich wie bei Pisa. Dort allerdings war es ein kollektives Entsetzen, hier ist man selbst betroffen. Dabei dürfte der Abschreckungseffekt (Das schaffe ich nie!) geringer sein als der Ansporn. Die Sieger sind keine Spezialisten, sondern normale Bürger. So ist Günther Jauch der Schulmeister der Nation – vielleicht ohne es zu wollen, womöglich sogar ohne es zu wissen.

So bildungsfeindlich ist das Fernsehen also gar nicht.

RTL startet „Wer wird Millionär?“ wieder am Montag um 20 Uhr 15

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