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Fußball ist mehr als 1:0. Harry Valérien moderierte „Das aktuelle Sportstudio“. F.: ZDF

© picture alliance / dpa

ZDF: Die Widersprüche werden 50

Zwischen "Der goldene Schuss" und "heute show": Wie kein anderer Sender ist das ZDF ein Abbild der Halbheiten der Bundesrepublik. Betrachtungen über eine paradoxe TV-Anstalt.

Das ZDF ist eine stabile Institution. Privatisiert werden kann es nicht. Allein die aufgehäuften Pensionsansprüche sind viel zu hoch für irgendeine Übernahme. Pleite gehen kann es auch nicht, dafür bürgen die Bundesländer. Das ZDF ist ein bisschen wie die Bundesrepublik: stabil, aber nicht wild und frei. Zentralisiert und schlagkräftig, aber doch geht nichts ohne die Länder und ein komplexes Räderwerk politischer Kompromissbildung.

Während in der ARD noch ein Hauch der Besatzungspolitik spürbar ist – sichtbar am BBC-Vorbild ebenso wie an der Eigenständigkeit von Bremen, das einst amerikanische Enklave inmitten der britischen Zone war, oder an der Bedeutung Baden-Badens, das die Franzosen einfach sehr schön fanden, ist das ZDF durch und durch bundesrepublikanisch, aber von Anfang an mit gesamtdeutschem Anspruch. Mit rund zwei Milliarden Euro Umsatz ist es ein beachtlicher wirtschaftlicher Faktor, noch wichtiger aber als Deutungsmacht.

Gegründet wurde es als Akt puren politischen Willens. Bundeskanzler Konrad Adenauer wollte einen konservativen Staatsrundfunk. Erst durch das Einschreiten der Verfassungsrichter erhielt der Sender eine demokratische Verfassung. Prinzipiell „staatsfern“ habe Rundfunk zu sein, heißt es seitdem, dennoch sind Aufsicht und Kontrolle des ZDF hochgradig politisiert.

Solche Widersprüche, ja Paradoxien sind tief eingeschrieben in das Wesen dieser öffentlich-rechtlichen Anstalt, die um ein Haar „Neues Deutsches Fernsehen“ getauft worden wäre – mit Sitz in Düsseldorf. Der Sender, schließlich angesiedelt in Mainz, war konzipiert als konservativer Gegenpol zum vermeintlichen „Rotfunk“ der ARD, wurde dieser Funktion seit dem Start am 1. April 1963 aber vor allem als schunkelnder Unterhaltungsdampfer gerecht. Das ZDF sollte locker sein, bunt und vielfältig. Oft war es nur spießig. Es gab Shows wie „Vergißmeinnicht“ und „Der goldene Schuß“, Wim Thoelke und Peter Frankenfeld, Vico Torriani und Peter Alexander.

Die eigentliche Beeinflussung der Menschen, ihrer Werte und Lebensstile erfolgte weniger durch Nachrichten als durch Shows und Fernsehfilme. Darin stimmten Helmut Kohl, als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz langjähriger Chef des ZDF-Verwaltungsrats, der Filmproduzent Arthur Brauner und der Filmhändler Leo Kirch, die davon profitierten, überein. Mit „Flipper“ und „Daktari“, „Traumschiff“, „Schwarzwaldklinik“, dem „Erbe der Guldenburgs“ und später den Pilcher-Verfilmungen wurden Heile-Welt-Sehnsüchte bespielt.

Aber auch an der Welt der Unterhaltung gingen gesellschaftliche Umbrüche nicht vorbei. „Wünsch Dir was“, präsentiert von 1969 bis 1972 von Vivi Bach und Dietmar Schönherr, signalisierte das. „Das aktuelle Sportstudio“ suchte eine neuen Formensprache, und ausgerechnet bei den Mainzern gab es zuerst sowohl eine Nachrichtensprecherin (Wibke Bruns, 1971) als auch eine Sportmoderatorin (Carmen Thomas, 1973). Heute ist „Wetten, dass?..“ der letzte Ausläufer der langen Tradition von Shows, die größer sein wollten als das Leben. Vermutlich ist die Idee, generationsübergreifend und damit integrativ zu wirken, die gesamte Familie im Halbkreis vor dem Bildschirm zu versammeln, aber eine vergängliche Illusion.

Politische Eingriffe, journalistische Selbstbehauptung

Politisch war die Ausrichtung klar. Das „ZDF-Magazin“ mit Gerhard Löwenthal sollte ein Kontrastprogramm zu „Monitor“ (WDR) und „Panorama“ (NDR) sein. Aber gerade hier fand ein für das Geschichtsbewusstsein und die Identität der Bundesrepublik einschneidender Streit statt. Der von den Nazis verfolgte, rechtskonservative jüdische Publizist Löwenthal, der die Ostpolitik Willy Brandts als „Verrat“ bekämpfte, hatte dem „Stern“-Chef Henri Nannen, munitioniert mit Recherchen aus dem Springer-Verlag, unterstellt, als Nazi-Mitläufer von Folter und Erschießungen in Oberitalien zumindest gewusst zu haben. In der Live-Diskussion der beiden am 16. Dezember 1970 ging es um alles: um Kontinuität und Bruch zwischen der Bundesrepublik und dem NS-Regime, um persönliche Verantwortung und um Westintegration und Aussöhnung mit dem Osten.

„Ich wollte diese Sendung“, so klärte Helmut Kohl die Machtverhältnisse, als er im Dezember 1999 in der Sendung „Was nun?“ zum CDU-Spendenskandal befragt wurde. Noch im Mantel rannte der damalige Programmdirektor Markus Schächter aufgeregt durchs Bild, aber Chefredakteur Klaus Bresser beharrte darauf, Einlader sei das ZDF, und hielt Kohl beharrlich das Grundgesetz vor. Immer stand das ZDF in solchen Zerreißproben zwischen politischen Eingriffen von außen und journalistischer Selbstbehauptung. Wolfgang Herles beispielsweise wurde aus der Politikberichterstattung zur Kultur umgesetzt, weil er zu wenig gläubig für die Wiedervereinigung eintrat. Später sorgte Helmut Kohl dafür, dass das ZDF als erstes „Westfernsehen“ bereits im November 1990, deklariert als „Betriebsversuch“, über Sender der früheren DDR ausgestrahlt werden konnte. Abserviert wurde ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der den Zuschauern einen Moment der Wahrhaftigkeit bescherte, als er sich am 18. September 2005 in der Elefantenrunde nach der vorgezogenen Bundestagswahl gegen Gerhard Schröder standfest behauptete. Und sind alle Kontroversen um FDP-Mann Rainer Brüderle nicht nur ein lauer Abklatsch gegenüber dem heftigen Streit um Murakami zwischen Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler im Juni 2000, an dem das „Literarische Quartett“ alsbald zerbrach? Das sind die wahren TV-Highlights des ZDF jenseits von allen Späßen, die in den humorvollen nostalgischen Rückblicken nun rauf und runter gezeigt werden.

Als der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel einmal en détail die Haushaltspläne des ZDF durchforsten wollte, sagte ihm der Intendant Dieter Stolte: „Ich weiß selbst, wo ich mein Geld versteckt habe. Als Schwabe wissen Sie doch, dass man immer eine Reserve für den Notfall haben muss.“ Das schreibt er sündenstolz in seinen Erinnerungen. Unter manchen Langzeitfolgen seiner Strukturen leidet das ZDF bis heute. Erst recht seit es den neuen Rundfunkbeitrag gibt, wäre ein tatsächlicher, nicht nur simulierter Geist der Offenheit gegenüber den zahlenden Nutzern angebracht. Die simple Postenverteilung nach Parteiproporz – Intendant und Programmdirektor gehören den „Schwarzen“; Verwaltungsdirektor und Chefredakteur den „Roten“ – hat nicht nur viele kreative Köpfe wie Peter Gerlach, Heinz Ungureit und Hans Janke ausgebremst, sondern spiegelt weniger denn je die Gesellschaft wider. Das alte Show-, Schunkel- und Schmonzettenkonzept geht nicht mehr auf.

Über mehrere Jahrzehnte hinweg gab es im ZDF kein Kabarett, nur weil Dieter Stolte Dieter Hildebrandt nicht leiden konnte. Inzwischen ist mit der „heute-show“ eine in ihren besten Momenten eminent politische Sendung fast schon zum Aushängeschild des ZDF geworden ist. In solchen Widersprüchen bewegt sich das ZDF.

„Mit beliebten TV-Klassikern, schillernden Musikstars, den schönsten TV-Perlen und zahlreichen Überraschungen“, so herrlich antiquiert kündigte das ZDF seine Gala-Sendungen zum 50. Geburtstag an. Als Gäste waren Thomas Gottschalk, Wolfgang Lippert, Frank Elstner, Markus Lanz, Dieter Kürten, Kathrin Müller-Hohenstein, Claus Kleber, Rudi Cerne, Joachim Fuchsberger und Andrea Kiewel geladen. Moderiert wurden die beiden Shows ausgerechnet von der seriösesten Polittalkerin Maybrit Illner – ist eben ein paradoxer Laden, das ZDF.

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