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Neuanfang mit 50. Der einst gefeierte Investigativ-Journalist Ralph Friesner (Axel Prahl) muss plötzlich eine Abendschulklasse unterrichten.

© ZDF und Julia von Vietinghoff

ZDF-Komödie "Extraklasse": Lehrkraft mit Redaktions-Hintergrund

Lehrer statt Journalist: Axel Prahl besteht in der ZDF-Komödie „Extraklasse“ die Herausforderung eines Berufswechsels.

In seinen Träumen ist Ralph Friesner (Axel Prahl) noch immer ein gefeierter Journalist, der für seine investigativen Recherchen einen Egon-Erwin-Kisch-Preis überreicht bekommt, doch die Realität sieht anders aus. An seinem 50. Geburtstag wird der inzwischen arbeitslose Zeitungsredakteur vom Sachbearbeiter in der Arbeitsagentur vor eine klare Alternative gestellt. Entweder unterrichtet er an der Abendschule als Lehrer oder ihm werden die Bezüge gekürzt. Wo ist schließlich das Problem, auf Lehramt haben doch früher ohnehin alle studiert.

Allerdings gibt es doch gehörige Unterschiede, ob man als Journalist ein Politikressort leitet oder vor einer Schulklasse steht, zumal in der Erwachsenenbildung, denn Friesner verschlägt es in der ZDF-Komödie „Extraklasse“ an eine Abendschule in Berlin-Marzahn. Mit seinem Zynismus und den arroganten Sprüchen kommt er dort überhaupt nicht an. Weder bei seiner neuen Chefin, Direktorin Dörte Wiedebusch (Aglaia Szyszkowitz), noch bei seinen neuen Schülern, die ihren Hauptschulabschluss nachholen möchten.

Nachfrage nach Lehrern, weniger nach Journalisten

Immerhin besteht der Plot der Komödie, bei der Matthias Tiefenbacher Regie geführt und nach einer Vorlage von Gernot Gricksch auch das Drehbuch geschrieben hat, den Faktencheck. Unter den Quereinsteigern in den Lehrerberuf befinden sich in Berlin tatsächlich viele Journalisten, wie die Senatsschulverwaltung dem Tagesspiegel auf Anfrage bestätigte. Zuvor haben diese in den unterschiedlichsten Mediengattungen gearbeitet, sowohl für Fernsehen, Radio, Internet als auch Printmedien. Häufig handelt es sich bei den Neulehrern mit journalistischem Hintergrund, mit denen die großen Lücken besonders an Grundschulen und Berufsschulen geschlossen werden, um Germanisten und Anglisten.

Nachfrage und Bedarf treffen sich aber auch noch in anderer Hinsicht, wie Frank Überall, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) weiß. „Die Zahl der Stellen für Journalisten ist in den vergangenen Jahren drastisch gesunken, das gilt insbesondere für Tageszeitungen und Zeitschriften. Von den mehr als 15.300 Redakteursstellen im Jahr 2000 ist nach Zählung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger bis heute fast ein Drittel weggefallen“, erläutert der Gewerkschaftsmann.

Ganz so einfach wie in der TV-Komödie ist der Übergang vom Redaktions- in den Klassenraum jedoch nicht, denn von den Quereinsteigern in den Lehrerberuf wird nicht nur eine fachliche, sondern genauso eine pädagogische Qualifikation erwartet. Zum Hochschulstudium kommt darum unter Umständen eine zweijährige theoretische und praktische Ausbildung mit mündlichen und schriftlichen Abschlussarbeiten sowie ein Referendariat inklusive Unterrichtsprüfung hinzu. Doch so viel Theorie will die Fernsehkomödie den Zuschauern ersparen.

Etwas sparsamer hätte Tiefenbacher allerdings auch mit einigen Klischees und Vorurteilen über Hauptschüler, den modernen Schulbetrieb und Cindys aus Marzahn umgehen können. Da ist zum Beispiel Rina (Jennifer Ulrich), die „öfter im Kreißsaal als in der Klasse“ ist. Oder der Haitianer Bob (Tony Harrisson Mpoudja), der eine Voodoo-Puppe in den Unterricht mitbringt.

Hinzu kommen der Inklusionsfall Norbert (Nico Randel) mit seinem Down-Syndrom, der türkische Analphabet Gökdal, der endlich das Buch lesen möchte, das seine Tochter geschrieben hat, und Bomberjacken-Mike (Dennis Mojen), den ohnehin alles ankotzt. Für einen gewissen Ausgleich sorgt Katharina Thalbach, die herrlich bodenständig Ralph Friesners mütterliche Vermieterin Karin spielt.

Allerdings ist ohnehin klar, dass selbst die gestrenge Direktorin nicht verhindern kann, wie sich die Klasse und ihr neuer Lehrer zusammenraufen. Denn auch die „Extraklasse“ kommt ohne eine gehörige Portion „Feuerzangenbowlen“-Romantik und „Das fliegende Klassenzimmer“ nicht aus.

Die Situation an den realen Schulen, nicht nur in Berlin, wird sich hingegen nicht so schnell entspannen. Allein für die kommenden beiden Jahren rechnet die Kultusministerkonferenz mit jeweils 3000 fehlenden Lehrern. Eventuell ist dies ja eine Chance für weitere Journalisten. DJV-Chef Überall sieht noch kein Ende der Talsohle im Journalismus. An Neulehrer Friesner soll’s nicht scheitern.

„Extraklasse“, Montag um 20 Uhr 15 im ZDF

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