zum Hauptinhalt
Neue Verleger. Der russische Investor Alexander Lebedew kaufte „Evening Standard“ und „Independent“. Alexander Pugatschew (rechts) hilft „France Soir“ auf die Beine. Fotos: AFP

© AFP

Zeitungen: Oligarchen-Spielzeug

Eine Kroko-Tasche, ein Palais im teuren Londoner Westend, ein Fußballklub, alles schön und gut, aber das neue „must have“ für reiche Russen ist: eine Zeitung – oder am besten gleich zwei.

So scheint zumindest der russische Oligarch Alexander Lebedew, 50, zu denken. Nachdem er erst im vergangenen Jahr zusammen mit seinem Sohn Jewgenij, 29, das Londoner Blatt „Evening Standard“ kaufte, übernahm er am Donnerstag nun auch den „Independent“ samt dessen Sonntagsausgabe. Für den symbolischen Preis von knapp einem Euro. Derweil erfreut sich in Frankreich Landsmann Alexander Pugatschew, 25 und Sohn des russischen Oligarchen Sergej Pugatschew, an seinem neuen Spielzeug: dem Traditionsblatt „France Soir“, das er vor einem Jahr übernahm und jetzt, im Rahmen einer riesigen Werbekampagne überarbeitet, an den Kiosk brachte. Doch warum investieren Leute, die schon alles haben, in eine Zeitung – obwohl die Chancen groß sind, damit Geld zu verlieren?

Sicher nicht allein deshalb, weil es in ihren Kreisen als sexy gilt, eine Zeitung zu besitzen. Es geht um Macht und Einfluss – um welchen, darüber wird spekuliert. Lebedew, der früher KGB-Agent war und Bürgermeister von Moskau werden wollte, sei ein trojanisches Pferd des Kremls, lautet eine Theorie. Doch die Recherchen des linksliberalen „Guardian“ nach Skandalen, windigen Geschäften oder gefährlichen Interessen Lebedews liefen ins Leere. Stattdessen sagt Lebedew, der sich zusammen mit Ex-Präsident Michael Gorbatschow beim Moskauer Oppositionsblatt „Nowaja gaseta“ einkaufte: „Ich investiere in Institutionen, die zu Demokratie und Transparenz beitragen.“ Im Mittelpunkt würden dabei Zeitungen stehen, die unabhängig berichten und dafür kämpfen, dass die Wahrheit enthüllt wird. Dies habe der „Independent“ in der Vergangenheit durch seine investigative Berichterstattung getan und „wird es auch, hoffe ich, weiter tun“.

In welcher Form, darauf sind die Briten gespannt. Der Kaufvertrag sieht vor, dass die bisherige, in Irland ansässige Herausgebergesellschaft der beiden Zeitungen, Independent News and Media (INM), dem Käufer in den kommenden zehn Monaten 9,25 Millionen Pfund (10,33 Millionen Euro) auszahlt. Im Gegenzug übernimmt das von Lebedews Familie kontrollierte Unternehmen Independent Print Limited (IPL) die Verantwortung für Schulden und Außenstände. Lebedew wird versuchen, die finanzielle Talfahrt des Blattes schnell zu stoppen. Pro Monat soll der „Independent“ etwa eine Million Euro verlieren. Dem „Standard“ hat Lebedew bereits auf die Beine geholfen, indem er ihn zum Gratisblatt umwandelte, die Auflage ist von 250 000 Exemplaren auf 600 000 gestiegen.

Konkurrent Rupert Murdoch setzt dagegen auf Paid Content. Seine Blätter „Times“ und „Sunday Times“ sollen die ersten Zeitungen in Großbritannien sein, deren Onlineartikel kostenpflichtig werden. Ab Juni sollen die Leser pro Tag ein Pfund (1,10 Euro) zahlen, für eine Woche zwei Pfund, teilte der Verlag News International am Freitag mit.

In Frankreich arbeitet derweil Alexander Pugatschew daran, seinem Blatt „France Soir“ wieder Glanz zu verleihen. Als er vor einem Jahr 85 Prozent des Blattes übernahm, stand es vor dem Aus. Ende der 50er Jahre hatte es noch eine tägliche Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren, bei Pugatschews Einstieg waren es nur noch 23 000 Leser. Bereits zuvor hatten renommierte Verleger wie der Zeitungszar Robert Hersant („Le Figaro“) versucht, das Blatt zu modernisieren, scheiterten jedoch. Jetzt will der Jungverleger, der fließend Französisch spricht und neben der russischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, mit Millioneninvestitionen auf Erfolgskurs gehen. Das Personal von „France Soir“ wurde auf 130 Mitarbeiter aufgestockt. Die Aufmachung der Zeitung ist leserfreundlicher geworden. Mit dem Einzelverkaufspreis von 50 Cent greift Pugatschew das Konkurrenzblatt „Le Parisien - La France Aujourd'hui“ an, das doppelt so viel kostet. Zum Neustart gab es eine Einführungsauflage von 500 000 Exemplaren. Verkauft werden seitdem täglich 25 000, 150 000 Exemplare sollen es werden.

Dass russische Investoren nun auch den deutschen Zeitungsmarkt erobern könnten, ist jedoch unwahrscheinlich. „Zwar ist der Markt für sie attraktiv, weil die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland noch enger sind“, sagt Horst Röper vom Zeitungsinstitut Formatt, „aber es gibt keine großen Zeitungen zu kaufen. Und das Interesse an kleineren Regionalzeitungen dürfte bei russischen Investoren eher gering sein.“ Und ein „must have“ im Miniformat, das geht gar nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false