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Medien: Zu faul zum Leben

Schlusspunkt der Debütfilmreihe: ein Deserteur aus Bequemlichkeit

Paul bleibt sitzen. Während seine Bundeswehr-Einheit an einer Raststätte wieder auf die Lastwagen gerufen wird, rührt sich Kamerad Paul nicht von der Stelle. Ein Fluchtversuch? Gar Desertion aus Verzweiflung über die herrschenden Verhältnisse? Oder wenigstens ein stummer Protest? Nein, Paul hat einfach keine Lust. Ein ratloser Aussteiger, der sich von den Ereignissen treiben lässt, der sich nicht bewegt. Warum er überhaupt zur Bundeswehr gegangen sei, wird er später im Film gefragt. „Aus Gewissensgründen“, antwortet Paul – er will sich vom linksliberalen Wohlstandsmilieu seiner hessischen Provinz-Heimat absetzen.

Mit „Bungalow“ von Ulrich Köhler endet heute die „Gefühlsecht“-Reihe des ZDF, in der acht Nachwuchsregisseure ihre Debütfilme einem großen Fernsehpublikum vorstellen konnten. Groß ist allerdings relativ: 150 000 bis 770 000 Zuschauer sahen jeweils zu. Von den acht Regisseurinnen und Regisseuren arbeiten die meisten an Anschlussprojekten, einige wie Sabine Derflinger („Vollgas“) sogar für die Primetime. Auch Ulrich Köhler wird einen weiteren Film fürs „Kleine Fernsehspiel“ drehen.

Dass sein Debüt „Bungalow“ erst um Mitternacht gezeigt wird, ist allerdings eine besondere Herausforderung fürs schlaftrunkene Publikum. Denn dem mit hängenden Schultern durchs Leben schlurfenden 19-jährigen Paul zuzusehen, kann man ziemlich nervtötend finden. Und Köhler hält sich konsequent an sein karges Konzept, das keine Musik duldet und bei dem sich die statische Kamera nur in sehr beschränktem Maße bewegt. Köhler will keine künstliche Dramatisierung, er will nur präzise beobachten. Das freilich gelingt ihm überzeugend. Auch dank des Laien-Darstellers Lennie Burmeister, der kaum eine Miene verzieht. Paul ist der phlegmatische Stellvertreter einer orientierungslosen Generation. Doch er weiß sein Phlegma auch gezielt einzusetzen: um den älteren Bruder Max (David Striesow) zur Weißglut zu treiben. Max sucht mit seiner dänischen Freundin Lene (Trine Dyrholm) ebenfalls den verwaisten Bungalow der Familie auf. Ein „verhindertes Roadmovie“ hat Ulrich Köhler seinen Film treffend genannt. Auch seine Sehnsüchte – das Traumziel Afrika, die aufkeimende Liebe zu Lene – helfen Paul nicht auf die Beine.

„Bungalow“ erhielt auf zahlreichen Festivals mehrere Preise, darunter den Nachwuchspreis beim Fernsehfilmfestival in Baden-Baden. Gelungen ist etwa die Schlussszene, in der sich die Kamera nicht vom Fleck rührt und aus der Totalen beobachtet, wie sich Paul einfach in Luft auflöst. Aber auch dies geschieht, wie die Fahnenflucht zu Beginn, eher zufällig.

„Bungalow“: 0 Uhr, ZDF

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