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Zu meinem ÄRGER: Mike Allen schläft nicht mehr

Wolfram Eilenberger resümiert die Medienwoche.

Herr Eilenberger, worüber haben Sie sich in dieser Woche in den Medien am meisten geärgert?

Als ausgesprochen ärgerlich empfand ich das Porträt über den amerikanischen Journalisten Mike Allen im Medienteil der „Süddeutschen Zeitung“ vom 18. Januar. Allens Website politico.com ist zwar in Sachen amerikanische Innenpolitik in der Tat unverzichtbar geworden, im Porträt aber wird er vollkommen unkritisch als Vertreter eines neuen Politikjournalismus verherrlicht, der „2000 Mails am Tag erhalte“, jeden Tag „um zwei Uhr morgens aufstehe“, „um vier Uhr morgens die ersten Mails beantworte“, gleichzeitig aber auch von Obamas Kommunikationschef „vor dem „Zubettgehen als Letzter kontaktiert“ werde. Ergo: Journalist Mike Allen schläft nicht mehr. Hier werden offenbare Pathologien der Leistungsgesellschaft und auch des Digitaljournalismus als normativ wirksame Heldengeschichten weitergegeben – und zwar in der gleichen Woche, in der Übermensch Lance Armstrong die wahren Hintergründe seines Leistungsvermögens freilegen musste.

Gab es auch etwas, worüber Sie sich freuen konnten?

Visuell wie inhaltlich erfrischend ist die Februar-Ausgabe des neuen Magazins „The Germans“. Besonders die elegante Polemik des jungen Schriftstellers Jan Brandt „Schafft Grass und Walser ab!“ hat mich erfreut, denn dieses (ausschließlich männliche) Ü-80-Deutungskartell mindert das Debattenniveau schon seit längerem in vermeidbarer Weise.

Welche Website können Sie denn empfehlen?

slate.com, keine Website schneidet aktuelle gesellschaftliche Fragen intelligenter an – ein Online-Magazin dieser Art fehlt in Deutschland.

Wolfram Eilenberger Publizist, Philosoph, Chefredakteur des „Philosophie

Magazin“

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